Intimer Betrug
drückte sie an sich. Aber sie wollte fester gehalten werden. Sie wollte ihn auf sich spüren, in sich.
»Liebe mich, Vincent. Liebe mich.«
»Ja. O ja.«
Mit einem tiefen Seufzer senkte er den Kopf und seine Lippen pressten sich mit einer Verzweiflung auf ihre, die der ihren entsprach.
Sie begehrte ihn mehr als je zuvor, vielleicht aufgrund der heutigen Geschehnisse. Vielleicht, weil sie einen Blick auf eine Zukunft ohne ihn erhascht hatte. Vielleicht, weil ihr Leben alles enthielt, was sie sich je erträumt hatte, und sich sehnlichst wünschte, das Beste aus dem Geschenk zu machen, das sie erhalten hatte. Sie dachte, dass er vielleicht das Gleiche empfand und einsah, dass er genau wie sie dieses Geschenk in Ehren halten musste. Wieder und wieder küsste er sie, nicht mit seiner gewohnten Zärtlichkeit und Sanftheit, sondern eindringlich und gründlich.
Seine Lippen öffneten sich, seine Zunge suchte ihre, berührte sie, duellierte sich mit ihrer. Er küsste sie noch leidenschaftlicher,bis keiner von ihnen mehr allein atmen konnte, bis sie ihren Atem teilten, einer ein Teil des anderen wurden.
»Liebe mich«, flüsterte sie an seinem Mund.
Er hob sie auf seine Arme und trug sie zum Bett.
Seit dem Tag, als sie ihn zur Heirat genötigt hatte, hatte sie gewusst, wie heftig er gegen seine Gefühle für sie angekämpft hatte. Von dem Tag an, als er sie zur Braut nahm, hatte sie gewusst, wie entschlossen er war, sein Herz zu schützen. Und heute Abend wurde ihr klar, wie restlos er damit gescheitert war.
Sie hatte es in seinem Blick gesehen, an der Angst in seinem Gesicht, als er geglaubt hatte, sie sei verletzt. An der Erleichterung, als ihm klar wurde, dass sie wohlbehalten war. Auch wenn er es nicht über sich brachte, es offen auszusprechen, wusste sie, dass das Gefühl da war. Dass er sie zu lieben gelernt hatte. Und sie wusste, wie sehr ihn das ängstigte.
Er schob sich über sie und sie ließ die Finger über die straffen Muskeln seiner Schultern und Arme gleiten. Sie strich ihm eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn, legte die Hand an seine Wange und spürte die kratzigen Stoppeln an ihrer Handfläche. Es versetzte sie immer noch in Staunen. Alles an ihm versetzte sie noch immer in Staunen. Und wenn er auch vielleicht nicht den Mut hatte, sich zu seinen Gefühlen zu bekennen, sie hatte ihn.
»Ich liebe dich, Vincent. Für immer und ewig.«
Kapitel 18
G race schlenderte den Pfad im Garten hinter ihrem Londoner Stadthaus entlang. Der Weg führte zu einem sprudelnden Springbrunnen neben einem vergitterten Bogengang, um den sich Kletterrosen in voller Blüte rankten. Dies war einer ihrer Lieblingsplätze. Sie liebte die Blumen, die den ganzen Sommer in prächtigen Farben blühten, und die Rosen wuchsen nun, im späten Juli, sogar noch üppiger. Es war der einzige Ort, an dem sie Fentington vergessen und der Sorge entfliehen konnte, dass er Vincent eines Tages finden und Schaden zufügen könnte.
Es war jetzt zwei Monate her, seit ihn jemand gesehen hatte. Zwei Monate seit dem Abend in der Oper, als sie jemand auf die Straße gestoßen hatte, und obwohl Vincent ihr versicherte, dass kein Grund zur Sorge bestünde, wusste sie, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis etwas passieren würde. Sie wusste, dass er die günstigste Gelegenheit abwartete, um zuzuschlagen. Die perfekte Gelegenheit, um den meisten Schaden anzurichten.
Als spürte das Kind, das in ihr heranwuchs, ihre Ängste, trat es so heftig zu, dass sie nach Luft schnappte. Als der Schmerz nachließ, hängte sie sich den mitgebrachten Korb über den Arm und bückte sich, um ein paar gelbe und rote Nelken zu pflücken. Sie waren voll erblüht und lachten sie an, flehten sie geradezu an, ein Teil der Tafeldekoration für das intime Abendessen zu werden, das sie heute Abend nur für Vincent und sich plante.
Sie pflückte eine rote Blüte und richtete sich jäh wieder auf, um sich den Bauch an der Stelle zu reiben, wo die Füße des Babys erneut zutraten. Ach, es war ein lebhaftes Kind, das sich ständig drehte, bewegte und strampelte.
Nachts war es noch schlimmer. Manchmal war das Kind so unruhig, dass sie nicht liegen bleiben konnte. Mitunter hatte sie Glück und Vincent bemerkte es nicht. Aber oft vermisste er sie an seiner Seite und stand ebenfalls auf.
Auch wenn sie ihn nur ungern beim Schlafen störte, waren diese Nächte für sie am schönsten. Dann setzte er sich mit ihr in den überdimensionalen Schaukelstuhl, den er in ihr Zimmer
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