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Intruder 5

Intruder 5

Titel: Intruder 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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verdammt noch mal!«, antwortete Mike wütend.
    »Hört endlich auf, mich zu bemuttern. Ich bin kein Kleinkind mehr!«
    »Du benimmst dich aber so«, sagte Frank liebenswürdig, senkte allerdings hastig den Blick und konzentrierte sich wieder auf sein Essen. Stefan runzelte die Stirn, mehr nicht. Er war klug genug, sich jeden Kommentar zu verkneifen.
    Mike zwang sich nun doch, mit beiden Händen nach dem Sandwich zu greifen und abzubeißen. Es schmeckte ungefähr so, wie es aussah, und er musste sich mit aller Macht zwingen, den Bissen gründlich zu kauen und hinunterzuschlucken.
    Hinter ihm erklang ein helles Lachen - eindeutig das Lachen einer Frau. Stefan sah kurz von seinem Teller auf und blickte an Mike vorbei zur Theke. Für eine Sekunde hörte er auf zu kauen, und für einen noch viel kürzeren Moment erschien ein überraschter Ausdruck auf seinem Gesicht - noch kein wirklicher Schrecken, aber doch etwas, das schon verdammt nahe daran grenzte. Mike konnte ganz deutlich sehen, wie er sich selbst in Gedanken eine Frage stellte und die mögliche Antwort als vollkommen unsinnig abtat. Sein Herz begann heftiger zu schlagen. Der zweite Bissen, auf dem er gerade kaute, blieb ihm buchstäblich im Halse stecken.
    Etwas in ihm zwang ihn, sich umzudrehen. Er wollte es nicht.
    Es gab nichts auf der Welt, was er in diesem Moment weniger wollte, aber er war vollkommen unfähig, den Impuls zu unterdrücken. Er drehte sich auf dem Stuhl herum und starrte zur Theke.
    Dort stand die Indianerin.
    Sie hatte ihm den Rücken zugewandt, sodass er ihr Gesicht nicht erkennen konnte, doch es gab nicht den leisesten Zweifel.
    Sie trug einen hellbraunen Ledermantel mit zahllosen Fransen.
    Das glatte, lackschwarze Haar reichte ihr weit bis in die Mitte des Rückens. Die linke Hand hatte sie lässig auf die Theke gestützt, die andere musste sie wohl gegen den Leib gepresst haben, in dem sinnlosen Bemühen, die klaffende Wunde zu stopfen. Vor ihr tropfte das Blut auf den Boden und bildete eine schwarze, dampfende Lache, die allmählich um die mit Messing beschlagenen Spitzen ihrer Cowboystiefel floss.
    Mike stieß einen würgenden, halb erstickten Laut aus, den sowohl Stefan als auch Frank gehört haben mussten, denn er konnte spüren, wie sie im Essen innehielten und ihn erschrocken ansahen. Auch die Indianerin war aufmerksam geworden, denn sie nahm die Hand von der Theke und drehte sich langsam zu ihm um.
    Wenn sie diese Bewegung beendet haben würde, würde er sterben, das wusste Mike. Er würde den Anblick ihres zerfetzten Körpers nicht noch einmal ertragen. Er würde sterben, oder sein Verstand würde zerbrechen wie ein trockener Ast unter dem Tritt eines wütenden Riesen. Nein, er würde es nicht ertragen, erneut mit dem konfrontiert zu werden, was er angerichtet ha tte - nur weil er einfach nicht fähig war, irgendetwas richtig zu machen.
    Die Indianerin drehte sich ganz herum. Mike starb nicht, noch zerbrach sein Verstand, denn die Indianerin war gar keine Indianerin, sondern ein stämmig gebauter Bursche von vielleicht vierzig Jahren, der ihn stirnrunzelnd ansah. Sein schwarzes Haar war in Wahrheit ein dunkelblau und schwarz gemustertes Halstuch, das er zu einem Dreieck gefaltet hatte, und er trug auch keine Fransenjacke, sondern einen beigefarbenen Staubmantel, wie man ihn manchmal in alten Western sah. In der rechten Hand hielt er eine Kaffeetasse, aus der er einige Tropfen auf den Boden vor sich verschüttet hatte.
    »Was ist los?«, fragte Frank. Es klang alarmiert.
    Mike reagierte nicht. Der Fremde starrte ihn an. Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. Er sagte etwas - immer noch kein Englisch, aber auch ganz bestimmt kein zweitausend Jahre alter Anasazi- Dialekt -, doch Mike verstand ihn nicht. Er hätte ihn vermutlich nicht einmal dann verstanden, wenn er im reinsten Hochdeutsch mit ihm gesprochen hätte.
    Mike schüttelte langsam den Kopf. Er begann den Verstand zu verlieren, so einfach war das. Das waren keine bösen Streiche mehr, die ihm seine Fantasie da spielte. Das war etwas Schlimmeres! Er merkte nicht, wie seine Hände das Sandwich zerquetschten, oder wie Speichel, vermischt mit zerkauten Weißbrotresten, aus seinem Mundwinkel lief und am Kinn heruntertropfte. Er konnte nicht mehr zwischen Trugbildern und Realität unterscheiden. Geschichten wie diese hatte er Zeit seines Lebens geschrieben, und nun hatten sie ihn eingeholt. Er bekam die Rechnung für etwas präsentiert, das er bis jetzt als ein Geschenk betrachtet

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