Intruder 5
hatte.
Er verlor tatsächlich den Verstand. Hier und jetzt - und ohne diesem Vorgang Einhalt gebieten zu können.
»Was ist los mit dir?«, fragte Frank noch einmal.
Mike konnte hören, wie er aufstand. Der Fremde verzog leicht angewidert das Gesicht, wandte sich mit einem Ruck zurück zur Theke und sagte etwas in seinem Kauderwelsch zu der Bedienung, die dahinter stand und mit einem abfälligen Lachen antwortete. Frank kam mit zwei schnellen Schritten um den Tisch herum und packte Mike grob an der Schulter.
»Mike!«
Mike riss sich mit einer furchtbaren Kraftanstrengung vom Anblick des Fremden los, starrte erst auf seine Finger, die das Schinkensandwich zu einem unappetitlichen Brei zermanscht hatten, und dann auf Frank. Was er in dessen Augen erblickte, war mehr als Sorge.
»Was, um Gottes willen ... ?«
Mike wich so heftig zurück, dass sein Stuhl umkippte. Aus einem bizarren Ordnungsbedürfnis heraus drehte er sich mitten in der Bewegung noch einmal um und warf das zerquetschte Sandwich auf den Teller. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte aus dem Lokal, so schnell er konnte. Die Bedienung rief ihm etwas nach - vermutlich sorgte sie sich um die Rechnung -, aber er hörte gar nicht hin, sondern warf die Tür hinter sich zu und rannte mindestens ein Dutzend Schritte weit, bevor er stehen blieb. Erst jetzt kehrte wieder genug Ordnung in seine Gedanken ein, um sich an die Motorräder zu erinnern, die direkt vor dem Imbiss standen. Er drehte sich schwer atmend um und ließ seinen Blick gehetzt über den Platz schweifen.
Er war beinahe alleine. An den Zapfsäulen stand nur ein einzelner Wagen, dessen Fahrer, den Schlauch mit dem Zapfha hn in der Rechten haltend, mitten in der Bewegung erstarrt war und verdutzt in seine Richtung blickte. Auch der Tankwart in seinem gläsernen Aquarium verrenkte sich fast den Hals, um herauszubekommen, was da vor sich ging; und was gerade drinnen im Restaurant über Mike geredet wurde, wollte er lieber gar nicht erst wissen. Es spielte auch keine Rolle. Nicht, wenn er den Rest seines Lebens sowieso in einer Gummizelle verbringen würde.
Der Gedanke war so bizarr, dass er leise und hysterisch auflachte. Vielleicht wurde er ja wirklich verrückt. Vielleicht war er es schon. Und? Sagte man nicht, dass Verrückte selbst am wenigsten unter ihrem Zustand leiden, weil sie gar nicht wissen, dass sie bekloppt sind? So ganz schien das nicht zu stimmen ...
Mike schloss die Augen und ballte die rechte Hand zur Faust.
Es tat weh, aber das sollte es, und statt seinen Griff zu lockern, verstärkte er ihn nur noch, bis ihm der Schmerz die Tränen in die Augen trieb und ein gedämpftes Stöhnen über seine Lippen zwang. Schmerz war gut. Schmerz war etwas Reales, an dem er sich festhalten konnte, um nicht den Halt in der Wirklichkeit zu verlieren. Er drückte zu, bis er es nicht mehr aushielt. Als er schließlich die Finger streckte und die Augen wieder öffnete, ging es ihm besser. Der Wahnsinn war vielleicht nicht besiegt, aber er zog sich zumindest für den Augenblick zurück, widerwillig spuckend und fauchend, wie eine gereizte Katze, die außer sich darüber war, die schon sicher geglaubte Beute wieder loslassen zu müssen; nicht besiegt, aber geschlagen.
Der Krieg ging weiter, Mike hatte nur diese eine Schlacht gewonnen. Sein rasender Puls beruhigte sich allmählich, dafür begann sein Herz nun zu schmerzen; dünne, tief gehende heiße Stiche, die jeden einzelnen Schlag begleiteten. Er ignorierte es.
Die beiden anderen waren hinter ihm aus der Tür getreten.
Frank bezahlte mit einer Hand die Kellnerin, die ihm herausfordernd den Weg verstellt hatte. Sie war nicht allein, sondern hatte Verstärkung mitgebracht; in Form des Fremden mit dem Staubmantel, der hinter Stefan und Frank in der Tür stand, scheinbar in lockerer Haltung, jedoch bereit, einzugreifen, sollten die beiden Rocker auf Ärger aus sein oder die Zeche prellen wollen.
Frank beachtete weder ihn noch die Kassiererin, die sich mit zornigen Bewegungen aus den hingehaltenen Banknoten selbst bediente. Er schien in eine hitzige Diskussion mit Stefan verstrickt, bei der es ganz offensichtlich um Mike ging. Stefan deutete mehrmals auf Mike und schüttelte immer wieder aufgebracht den Kopf. Frank reagierte mit wütend entschlossenen Gesten. So viel zu Franks Idee, sich möglichst unauffällig zu verhalten.
Bevor sie noch mehr Aufsehen erregen konnten (Ha, ha! Wie denn?), ging Mike mit schnellen Schritten zu seinem Bike
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