Invasion - Die Verräter - Ringo, J: Invasion - Die Verräter
bilden.
»Es wird treffen«, verkündete die Künstliche Intelligenz. »Im rechten unteren Viertel in Flugrichtung des Globus. Das wird schlimm .«
9
»… denn Disziplin muss gehandhabt werden.«
Shakespeare , »Heinrich V.«
Bijagual, Chiriqui, Republik Panama
Digna war richtig sauer. Sie platzte wortlos in Felduniform mit einer Gerte in der rechten Hand, den Helm unter den linken Arm geklemmt und in Begleitung zweier kräftig gebauter Urenkel in die kleine Hütte. In ihren strahlend blauen Augen blitzte eisiges Feuer.
Der Dame des Hauses, tatsächlich Dignas Urururenkelin, auch wenn die Frau wesentlich älter als die Ururgroßmutter aussah, reichte ein Blick, um sich mit bittend erhobenen Händen zurückzuziehen.
»Wo ist die kleine Kröte?«, wollte Digna wissen. Ihre Stimme klang, als würde man damit schneiden können.
Die Frau deutete verängstigt auf das einzige Schlafzimmer der Hütte. Digna schob die Tür mit ihrer Gerte auf, worauf ihr sofort der kräftige Geruch von billigem Rum in die Nase stieg. Im Halbdunkel fiel ihr Blick auf einen schnarchenden, unordentlich gekleideten Mann, ebenfalls ein Ururenkel, was niemanden überraschte. Sie spürte in sich glühend heiß mörderische Wut aufsteigen.
Sie trat einen halben Schritt in den Raum und fing an.
Die Gerte fuhr auf das Gesicht des Mannes herunter, so heftig, dass dabei das Blut spritzte.
»Dreckiger pendejo !«
Wieder die Gerte, diesmal begleitet von »Schande für mein Blut.«
»Verkommener« … Gerte … »Fauler!« … Klatsch … »Nichtsnutziger!« … »Dreckiger!« … »Nutzloser!« … Klatschklatschklatsch .
Als Digna bis zu »Nichtsnutziger« gekommen war, hatte sich ihr Ururenkel nach vergeblichen Versuchen, den Kopf mit den Händen zu schützen, auf den Boden gewälzt und flehte dort um Gnade, aber die Schläge prasselten weiter auf ihn herunter.
»Kleine Ratte!«... »Küchenschabe!« … »Ungeziefer!«
Als Dignas rechter Arm müde wurde, setzte sie sich den Helm auf und nahm die Gerte in die Linke. Als auch der Arm ermüdete, hörte sie ganz auf und packte den Mann mit ihrem inzwischen ausgeruhten rechten Arm am Haar und fing an zu ziehen. Digna war klein und hätte es vielleicht nicht geschafft, den Mann gegen seinen Willen zu bewegen. Andererseits – war es ihm wert, das herauszufinden und dabei seine Haare zu verlieren?
Dann drehte Digna sich zu ihren beiden Begleitern um, die im Wohnraum der Hütte warteten.
»Verhaftet euren Vetter«, befahl sie, immer noch mit flammenden Augen. »Drei Tage im Loch wegen unerlaubtem Fernbleiben bei der Ausbildung.« Sie überlegte das Strafmaß kurz und fügte dann hinzu: »Drei Tage bei Wasser und Brot!«
»Si, Señora«, antworteten sie kleinlaut.
Auf der Offiziersschule war Digna zum Artillerieoffizier ausgebildet worden. Speziell für das Kommando einer Batterie sehr alter, längst ausgemusterter, in Russland hergestellter 85-mm-SD-44-Geschütze. Als Besatzung standen ihrer Batterie ein paar hundert Männer in mittleren Jahren und hinreichend starke und gesunde junge Frauen zur Verfügung. Und die ausschließlich aus dem eigenen Clan, sei es angeheiratet oder blutsverwandt. Außerdem verfügte sie über eine hinreichende Zahl von Leuten, die sie dank einer
ganz guten Ausbildung in klassischer Geschichte als »Perioeken« ansah – »die im Umkreis wohnen« -, die unmittelbar ihrer Kontrolle unterstanden. Da für die Geschütze einschließlich vorgeschobener Beobachter, Feuerleitcomputer und Mannschaften nur neunzig Mann oder vielleicht hundertzwanzig Frauen benötigt wurden, um sie mit voller Leistung einzusetzen, hatten sie zahlenmäßig reichlichen Überbestand. Sie löste dieses Problem, indem sie praktisch sämtliche alleinstehenden oder einigermaßen alleinstehenden Frauen und Mädchen des Clans den Kanonen zuteilte und aus dem Großteil der Männer eine recht umfangreiche Kompanie Milizinfanterie bildete, wenn auch vielleicht die Bezeichnung »Dragoner« besser als Infanterie gepasst hätte. Es gab keinen einzigen Mann oder Jungen, der nicht reiten konnte, schließlich war die Aufzucht von Vollblutpferden seit Jahrhunderten Spezialität des Clans gewesen.
Die Geschütze waren wirklich höchst bemerkenswerte Vertreter ihres Typs, vielleicht die ultimative Version der Schnellfeuerkanonen, ähnlich der französischen »Fünfundsiebzig«, die den Ersten Weltkrieg zu einem solchen Albtraum gemacht hatte. Verglichen mit dem SD-44 war die französische
Weitere Kostenlose Bücher