Inversionen
glauben auf eine harte Probe gestellt wird«, murmelte die Dame Perrund.
»Dann war in Felizien also jedermann glücklich?« fragte Huesse.
»So glücklich wie nur möglich«, sagte DeWar. »Den Leuten gelang es trotzdem, ihr eigenes Unglück herbeizuführen, wie es Menschen nun mal zu eigen ist.«
Die Dame Perrund nickte. »Jetzt hört sich die Sache allmählich nachvollziehbar an.«
»In diesem Land lebten zwei Freunde, ein Junge und ein Mädchen, Cousin und Cousine, die miteinander aufgewachsen waren. Sie hielten sich für Erwachsene, aber in Wirklichkeit waren sie noch Kinder. Sie waren die denkbar besten Freunde, aber sie waren in vielen Dingen unterschiedlicher Meinung. Eines der wichtigsten Dinge, worüber sie sich nicht einig waren, war die Frage, was zu tun sei, als Felizien zufällig auf einen dieser Stämme armer Leute stieß. War es besser, sie in Ruhe zu lassen, oder war es besser zu versuchen, das Leben für sie angenehmer zu machen? Selbst wenn man zu dem Schluß käme, daß es das besser wäre, das Leben für sie angenehmer zu machen, welches war der richtige Weg, das zu tun? Sollte man sagen: Kommt und lebt mit uns, und seid wie wir? Sollte man sagen: Gebt alles auf, was eure bisherige Lebensweise ausgemacht hat, gebt die Götter auf, die ihr anbetet, die Glaubensinhalte, die euch so viel bedeuten, die Traditionen, die euch zu dem machen, was ihr seid? Oder sollte man sagen: Wir haben beschlossen, daß ihr im großen und ganzen so bleiben sollt, wie ihr seid, dann werden wir euch wie Kinder behandeln und euch Spielzeug schenken und euch ein angenehmeres Leben bescheren? Ja, wer entschied überhaupt, was besser und angenehmer war?«
Lattens rutschte und zappelte auf der Couch herum. Die Dame Perrund versuchte, ihn stillzuhalten. »Gab es dort wirklich überhaupt keine Kriege?« fragte das Kind.
»Ja«, sagte die Dame Perrund und bedachte DeWar mit einem besorgten Blick. »Das mag einem Kind in Lattens’ Alter ein wenig abstrakt erscheinen.«
DeWar lächelte traurig. »Nun, es gab ein paar ganz kleine Kriege, ganz weit weg, aber, um die Sache kurz zu machen, die beiden Freunde beschlossen, ihre Meinungsverschiedenheiten auf die Probe zu stellen. Sie hatten noch eine Freundin, eine Dame, die… die beiden sehr ins Herz geschlossen hatte und die sehr klug und sehr schön war. Sie war bereit, jedem der beiden ihre Gunst zu erweisen.« DeWar sah die Dame Perrund und Huesse an.
»Jedem der beiden?« fragte Perrund mit einem kleinen Lächeln. Huesse sah zu Boden.
»Sie war sehr großzügig veranlagt«, sagte DeWar und räusperte sich. »Jedenfalls kam man überein, daß die beiden, Cousin und Cousine, ihre Argumente vortragen sollten, und wer in der Diskussion unterliegen würde, sollte gehen und es zulassen, daß die Gunst dem anderen allein gewährt würde.«
»Wußte diese dritte Freundin von der komischen Vereinbarung der beiden?« erkundigte sich die Dame Perrund.
»Namen? Wie lauteten ihre Namen?« wollte Lattens wissen.
»Ja, wie hießen sie?« fragte Huesse.
»Das Mädchen hieß Sechroom, und der Junge hieß Hiliti. Ihre schöne Freundin hieß Leleeril.« DeWar sah die Dame Perrund an. »Und nein, sie wußte nichts von der Vereinbarung.«
»Ttttt«, gab die Dame Perrund von sich.
»Also trafen sich die drei in einer Jagdhütte hoch oben in den Bergen…«
»So hoch wie die Atemlose Ebene?« fragte Lattens.
»Nicht so hoch, aber steiler, mit sehr schroffen Gipfeln. Also…«
»Und welcher von den beiden glaubte was?« fragte die Dame Perrund.
»Hmm? Oh, Sechroom glaubte, daß man sich immer einmischen oder versuchen sollte zu helfen, während Hiliti glaubte, es sei das beste, die Leute in Ruhe zu lassen«, sagte DeWar. »Jedenfalls hatten sie gutes Essen und erlesenen Wein dabei, und sie lachten und erzählten sich gegenseitig Geschichten und Witze, und Sechroom und Hiliti legten ihre unterschiedlichen Vorstellungen Leleeril dar und fragten, welche deren Meinung nach die richtige sei. Sie versuchte ihnen klarzumachen, daß sie jede auf ihre Weise für richtig hielt und daß manchmal die eine richtig und die andere falsch sei und manchmal umgekehrt… aber schließlich verlangten Sechroom und Hiliti, daß sich Leleeril für die eine oder andere entscheiden sollte, und sie entschied sich für Hiliti, und die arme Sechroom mußte die Jagdhütte verlassen.«
»Und was wollte Leleeril Hiliti geben?« fragte Lattens.
»Etwas Süßes«, sagte DeWar und brachte auf Magierart eine
Weitere Kostenlose Bücher