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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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farbenprächtig gekleideter Soldaten tauchte um eine Ecke herum auf und marschierte die Straße herunter, begleitet von einem jugendlichen Trommler an ihrer Spitze, tränenreichen Frauen zu beiden Seiten und herumtollenden Kindern im Schlepptau. Jedermann drehte sich zu ihnen um und sah sie an, außer die Dame Perrund. Ihr Blick blieb auf den abgewetzten, fleckigen Steinen des alten Hospitals auf der anderen Straßenseite haften.
    DeWar sah dahin und dorthin. »Seid Ihr seither wieder einmal hier gewesen?« fragte er.
    »Nein. Aber ich habe die Verbindung aufrechterhalten. In der Vergangenheit habe ich ihnen immer mal wieder ein paar Kleinigkeiten geschickt. Ich dachte, es würde Spaß machen, sie ihnen diesmal selbst vorbeizubringen. Oh! Was sind das denn für welche?« Die Gruppe von Soldaten zog vor ihnen vorbei. Sie trugen leuchtend rote und gelbe Uniformen und polierte Metallhelme. Jeder hatte sich ein langes, auf Holz aufgezogenes Metallrohr schräg über die Schulter gehängt, das über ihren glänzenden Helmen in der Luft schwankte.
    »Musketiere, edle Dame«, erklärte DeWar. »Und das Banner an ihrer Spitze ist das von Herzog Simalg.«
    »Ach, dann sind das also Musketen. Ich habe davon gehört.«
    DeWar beobachte mit besorgter, gedankenverlorener Miene, wie der Trupp vorbeizog. »UrLeyn wird sie wohl kaum im Palast aufstellen«, sagte er schließlich. »Auf dem Schlachtfeld können sie von weitaus größerem Nutzen sein.«
    Die Trommelschläge verebbten allmählich. Die Straße füllte sich wieder mit ihrem gewöhnlichen geschäftigen Treiben. Eine Lücke tat sich in dem Verkehr von Karren und Kutschen zwischen ihnen und dem Hospital auf, und DeWar dachte, sie würden sie ausnutzen, aber die Dame Perrund blieb zögernd auf dem Gehsteig stehen, und ihre Hand griff nach seinem Unterarm, während sie weiterhin zu der mit reichem Zierat versehenen und von der Zeit gefleckten Steinmetzarbeit des alten Gebäudes hinübersah.
    DeWar räusperte sich. »Könnte es sein, daß wir noch jemanden aus der Zeit, als Ihr dort wart, antreffen?«
    »Die gegenwärtige Oberin war damals eine einfache Schwester. Sie ist es, mit der ich korrespondiert habe.« Noch immer bewegte sie sich nicht.
    »Wart Ihr lange hier?«
    »Nur etwa zehn Tage lang. Das ist erst fünf Jahre her, aber mir kommt es vor, als läge es viel länger zurück.« Sie starrte weiterhin zu dem Gebäude hinüber.
    DeWar wußte nicht so recht, was er sagen sollte. »Es muß eine schwere Zeit für Euch gewesen sein.«
    Nach dem, was DeWar während der letzten Jahre aus ihr herausgebracht hatte, war die Dame Perrund hierhergebracht worden, weil sie unter einem schrecklichen Fieber litt. Sie und acht ihrer Schwestern, Brüder und Vettern waren Flüchtlinge aus dem Erbfolgekrieg gewesen, während dessen UrLeyn im Anschluß an den Fall des Reiches die Herrschaft über Tassasen übernommen hatte. Aus dem Süden kommend, wo die Kämpfe am schlimmsten gewütet hatten, waren sie nach Crough aufgebrochen, zusammen mit einem Großteil der übrigen Bevölkerung des südlichen Tassasen. Die Familie hatten ihr Dasein als Händler in einem Marktflecken gefristet, doch die meisten waren von den Streitkräften des Königs getötet worden, als diese den Ort von UrLeyns Truppen übernommen hatten. Die Männer des Generals hatten ihn wieder zurückerobert, mit UrLeyn an der Spitze, doch da waren Perrund und ihre wenigen verbliebenen Verwandten bereits unterwegs in die Hauptstadt.
    Sie alle hatten sich auf der Reise eine schwere Krankheit zugezogen, eine Seuche grassierte in jenen Monaten, und nur mittels eines beträchtlichen Bestechungsgeldes war es ihnen gelungen, überhaupt die Stadttore zu passieren. Der am wenigsten Kranke unter ihnen hatte den Wagen zu einem der alten königlichen Parks gefahren, wo Flüchtlinge lagern durften, und der letzte Rest ihres Geldes war für einen Arzt und Medizin draufgegangen. Damals waren die meisten von ihnen gestorben. Für Perrund wurde ein Platz im Armenhospital gefunden. Sie war dem Tod nahe gewesen, hatte sich dann aber erholt. Als sie sich auf die Suche nach den übrigen Mitgliedern ihrer Familie gemacht hatte, hatte sie ihr Weg zu den Kalkgruben außerhalb der Stadt geführt, wo die Leute zu Hunderten in Massengräbern verscharrt worden waren.
    Damals hatte sie daran gedacht, sich umzubringen, die Angst hatte sie jedoch davon abgehalten, und außerdem war sie zu der Ansicht gelangt, daß sie, da die Vorsehung sich dafür stark gemacht

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