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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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Gereiztheit zu verbergen. Sie ärgerte sich über sich selbst und ihn, und sie war beschämt und wütend wegen der Geschichte mit dem vergessenen Interview. Zugleich versuchte sie sich einzureden, dass der Rüffel, die mündliche Abmahnung, nichts war, vollkommen unwichtig gemessen an der Tatsache, dass man zwei Menschen, die sie gekannt hatte, in den Tod getrieben hatte. Aber jetzt stand Richard im Studio und hatte einen seltsamen Gesichtsausdruck - halb selbstgefällig, halb neugierig.
    Sie seufzte. »Was ist es diesmal?«
    Richard blickte sich um, als könnte sie jemand belauschen, obwohl die Studiotüren schalldicht waren und Kate ihr Mikrophon ausgeschaltet hatte, und sagte: »Die Polizei ist hier und will mit dir reden.«
    Kate wurde eiskalt, und nun endete die Werbepause. Das vom Computer gesteuerte Playout-System wechselte zu einem Jingle, dann zu einem Song: die Pogues und Kirsty MacColl mit »Fairytale of New York«, zum millionsten Mal in dieser Woche, wie ihr schien. Richard wartete immer noch auf ihre Antwort und verharrte an der Tür.
    »Weißt du, worum es geht?«, fragte sie und strengte sich an, so normal wie möglich zu klingen.
    »Sie haben gesagt, dass sie dich sprechen wollen. Könnte es nicht mit einem dieser Todesfälle zu tun haben, bei denen du neuerdings immer als Zeugin fungierst?«
    »Ach, zieh Leine, Richard!« Kate konnte seinen Ton nicht leiden. Und dann, als ihr aufging, dass es keine so glorreiche Idee war, ihren Chef zu beschimpfen, lenkte sie ein: »Sag denen, ich bin in ...«, sie sah auf die Studiouhr, » ... siebenunddreißig Minuten draußen, wenn die Sendung vorbei ist.«
    »Ich glaube, die wollen dich jetzt sprechen, Kate. Sie sitzen im Konferenzraum und gucken ziemlich ernst aus der Wäsche.«
    »Aber ...« Kate wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte noch nie vorzeitig eine Sendung verlassen.
    »Ist schon okay. Sean kann eine gute halbe Stunde früher anfangen. Du musst mit den Cops reden.«
     
    Konferenzraum war eine hochtrabende Bezeichnung für den langen schmalen, mit einem Tisch und ein paar Stühlen möblierten Raum, der vor allem als Abstellkammer für Kartons diente, deren Inhalt noch nicht wegsortiert worden war. An den Wänden hingen die wenigen Preise, die der Sender gewonnen hatte, sowie gerahmte Fotos von Warm FMs früheren Werbekampagnen. Kate bahnte sich einen Weg zwischen Kartons mit Büromaterial und Autoaufklebern hindurch zu den beiden Männern in Anzügen, die hinten am Tisch saßen. An der Wand über ihren Köpfen hing ein Bild von Kate, scheinbar nackt, in einer Badewanne voller Schokoriegel. In Wahrheit hatte Kate einen Badeanzug getragen, und die Schokolade war nur die oberste Schicht gewesen. Darunter war die Wanne mit Polystyrolkugeln gefüllt gewesen. Die Bildunterschrift lautete: »Kate Callan auf Warm FM - schmeckt nach mehr.« Kate erinnerte sich, wie sie lang und breit über den Text diskutiert hatten und darüber, ob sie einen Gedankenstrich oder einen Doppelpunkt vor »schmeckt nach mehr« setzen sollten. In diesem Moment hoffte sie, die beiden Polizisten würden sich nicht umdrehen und das Bild sehen.
    »Keine Sorge«, sagte der ältere der beiden Detectives, als Kate sich ein wenig unsicher setzte. »Wir beißen nicht.«
    Detective Inspector Reynolds war ein kräftig aussehender Mann mit einem netten Lächeln und einem schlecht geschnittenen grauen Anzug. Er war ungefähr in Kates Alter, wirkte erstaunlich schüchtern und schien sich mit Blickkontakten schwerzutun. Kate fragte sich, ob seine Schüchternheit echt war oder er sie aus irgendwelchen psychologischen Gründen vortäuschte. Er hatte dunkles Haar und blasse Haut mit einem Bartschatten am Kinn, der seinem Gesicht ein schmutziges, ungepflegtes Aussehen verlieh. Der andere Polizist war ein junger Mann mit strengen Zügen und stachlig gegeltem Haar, der eher wie ein Immobilienmakler aussah. Er hatte einen polnisch klingenden Namen, den Kate nicht richtig mitbekam, was sie ärgerte. Wäre Kate in der Rolle des Interviewers gewesen, hätte sie die beiden zu Beginn der Aufzeichnung gebeten, sich noch einmal vorzustellen, »für die Hörer«, aber in Wirklichkeit für sie als Gedächtnisstütze, damit sie die Namen auf Band hatte.
    Reynolds hatte offensichtlich das Sagen. Er fing an, Kates Namen, Adresse und Geburtsdatum abzufragen, Daten, die sie der Polizei in jüngster Zeit bereits zweimal gegeben hatte. Derweil hockte sie auf dem Rand ihres Stuhls und wollte endlich wissen,

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