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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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Herzen. Und sie bemerkte, dass sie nicht atmen konnte. Hatte sie einen Herzanfall? Alle anderen lächelten ihr zu und warteten darauf, dass sie ihnen endlich das Geschenk zeigte. Und sie hockte da mit drei toten Babys auf dem Schoß, die einzig ihr Neffe Jake sehen konnte. Sie wollte es Neil sagen, damit er zu ihr kam und ihr half. Er sollte diese Dinger wegnehmen und sie vernichten. Aber sie war vollkommen außerstande, einen Laut über die Lippen zu bringen.
     
    »Geht es wieder, Liebes?« Ihre Schwiegermutter Val klopfte leise an die Badezimmertür. Kate war schon eine ganze Weile hier drinnen; wie lange, wusste sie nicht. Sie saß auf dem Wannenrand, den Kopf über die Toilettenschüssel gebeugt, und hatte ihr gesamtes Weihnachtsessen erbrochen. Sie hatte gekotzt und gekotzt, bis sie ganz leer war, ihr Hals wund wurde und nur noch dünne gelbe Flüssigkeit rauskam. Und trotzdem hatte sie das Gefühl, immer weiter würgen zu müssen.
    »Katie, Süße, antworte mir doch. Ist alles in Ordnung mit dir?« Wieder Val. Kate setzte sich auf und sah sich um. Ja, sie war noch im Bad bei Neils Eltern, saß noch auf dem Rand der champagnerfarbenen Eckbadewanne und blickte gegen die Wand, in deren bronzenen Hochglanz-Fliesen sich ihr Gesicht verzerrt und bräunlich spiegelte, fleckig und mattiert zu den Kachelrändern hin, an denen die Glasur stumpf geworden war. »Als Nächstes ist das Bad fällig«, hatte Val gesagt, als sie ihr die neue Küche vorführte. War das erst gestern gewesen, dieser herrlich normale Tag?
    Die Wanne fühlte sich kühl unter Kates Oberschenkeln an, angenehm kühl. Ihr Hals war rau wie Schmirgelpapier, und der stechende Schmerz war von ihrem Herzen in den Bauch hinabgewandert. Abermals fragte sie sich, wie lange sie schon hier drinnen war - und ob sie eventuell für immer hier bleiben durfte.
    Die Luftpolsterfolie. Ihre Finger kribbelten bei der Erinnerung daran, wie sich die Luftbläschen angefühlt hatten, als Kate die Folie abwickelte, wie wellig glatt die Unterseite gewesen war, die keine Bläschen hatte. Die Luftpolsterfolie war um diese furchtbaren Sachen gewickelt gewesen - diese Särge, die Babypuppen, die zu ihr aufsahen und sie verhöhnten für das, was sie nicht besaß. Kate strich mit den Händen über den weichen Jerseystoff ihres Kleids, um das Gefühl loszuwerden, das noch in ihren Fingerspitzen zu sein schien. Es funktionierte nicht. Sie wusste, was sie zu tun hatte.
     
    Die ganze Zeit hatte Neil auf der obersten Stufe vor der Badezimmertür gesessen. Vergebens hatte er sich bemüht, Kate rauszulocken. Nun hoffte er, dass seine Mutter mehr Erfolg hätte, was jedoch nicht der Fall war. Er hörte, wie die Dusche aufgedreht wurde. Ah, gut, dachte er. Immerhin etwas. Wenigstens ist das Würgen vorbei. Er kannte Kate sehr gut und wusste, dass eine Dusche die nächste Phase einleitete. Sie würde das Wasser so heiß einstellen, wie sie es nur ertragen konnte, und sich dann waschen, wieder und wieder einseifen und schrubben, bis ihre Haut fast wund war. Das hatte sie früher schon gemacht, nach ihren Fehlgeburten. Wenn es ihr half ...
    Ihn brachte es um, vor der verschlossenen Tür zu hocken und mit anzuhören, wie elend es seiner Frau ging. Hilflos zuzuhören, wie sie sich quälte, zu wissen, wie hektisch und unbarmherzig sie ihre Haut rot schrubbte. Ihm war klar, dass seine Frau sich geradezu zwanghaft reinwaschen wollte, und ihre Pein verursachte ihm Übelkeit. Gleichzeitig kam er sich schrecklich nutzlos vor. Er hatte vorhin versucht, ihr zu helfen, als er den Inhalt des Pakets endlich gesehen hatte. Sofort war er aufgesprungen und wollte Kate halten, doch sie hatte sich ihm entwunden, eine Hand auf ihren Mund gepresst. Dann war sie nach oben gerannt, bevor er sie aufhalten oder irgendetwas sagen konnte, hatte sich im Bad eingeschlossen und sich übergeben.
    Das war vor einer halben Stunde gewesen. Wahrscheinlich blieb sie noch mindestens eine weitere halbe Stunde dort drin. Hier auf der Treppe zu sitzen änderte also nichts. »Mum, lass sie!«, sagte er. »Lass sie duschen. Danach geht es ihr besser.«
    Unten waren die Jungen und Bev an der Playstation. Andy stand neben dem Sessel, hatte einen der makabren kleinen Särge in der Hand und betrachtete ihn. Als Neil ins Zimmer kam, legte Andy den Kasten rasch wieder hin. Er wirkte verlegen. »Tut mir leid, Alter. Mann, wie kann jemand so was bloß machen?«
    Neil schüttelte den Kopf. Plötzlich überfielen ihn erdrückende Müdigkeit,

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