Irgendwo dazwischen (komplett)
Um meinen Kopf träufelt er ein paar
Tropfen auf mein Kissen, steht dann auf und kommt einen Moment später mit einem
kleinen Eimer wieder, der mit ein wenig Wasser gefüllt ist. Und auch in den
Eimer lässt er ein bisschen von dem Öl tropfen. Das ganze Zimmer riecht nach
Pfefferminze. Er steht wieder auf und schließt meinem iPod an seine
Stereoanlange an. Stephen Fry’s Stimme hallt durch den Raum. Dann legt sich
Elias hinter mich und nimmt mich in die Arme. Langsam wird mir wieder warm.
Seine Nähe, das Pfefferminzöl und CD 13 von „Harry Potter and the Half Blood
Prince“ beruhigen mich. Dann höre ich noch, wie Elias sagt, „Ich liebe dich,
Kleines...“ und schlafe ein.
Marie
Ich gehe
die Straße entlang. In Gedanken versunken. Oder auch in Unsicherheit. Warum bin
ich eigentlich gegangen? Ich hätte nicht gehen sollen. Und er hätte mich nicht
anschnauzen sollen. An sich hat er nichts gemacht. Bei anderen hat man immer
mehr Durchblick, als wenn es um einen selbst geht. Ich weiß noch, wie ich Lili
vorgeworfen habe, sie ließe sich ihr Glück nehmen. Und was tue ich? Ich bin
noch schlimmer. Denn im Vergleich zu mir hatte sie einen triftigen Grund, an
Elias zu zweifeln. Im Nachhinein betrachtet hatte sie Recht skeptisch zu sein.
Und auch,
wenn es sich nicht bewahrheitet hätte, kann ich es jetzt verstehen, dass es für
sie einen Unterschied gemacht hat. Objektive Betrachtungsweisen mögen einem
vielleicht helfen, eine Situation aus einem andern Blickwinkel zu sehen, aber
was man subjektiv sieht, ist eben doch noch etwas völlig anderes. Und sogar,
wenn man weiß, dass der objektive Betrachter vielleicht Recht hat, ändert das
nichts an den eigenen Gefühlen.
Was habe
ich mir erwartet? Ich meine, wer legt schon einfach auf? Hätte ich denn an
seiner Stelle aufgelegt? Wohl eher nicht. Und hätte er sich deswegen geärgert?
Wahrscheinlich. Warum fällt es uns so schwer zu vertrauen? Warum frage ich
mich, ob da noch einmal etwas zwischen ihm und Helene war? Vielleicht weil es
einfach naheliegend wäre. Er war mir keine Rechenschaft schuldig. Er dachte,
ich liebe Lili, und er dachte, dass diese Nacht zwischen uns eine Art Abschied
war, was es ja eigentlich auch war, nur dass es dann eben doch nicht der
Abschied, sondern der Anfang war. Oder eben der Abschied von Lili.
Sie hat
sich wahrscheinlich in ihn verliebt. Und anscheinend war sie sich sicher, dass
von seiner Seite auch Gefühle im Spiel sind. Hat sie es einfach
fehlinterpretiert, oder hat er ihr Anlass dazu gegeben? Würde ich ihm
vertrauen, stünde die Antwort auf diese Frage schon fest. Würde ich ihm
vertrauen, wäre ich davon überzeugt, sie habe sich da etwas eingebildet oder
schöngeredet. Aber da bin ich mir nicht sicher. Ich kenne Paul, und ich kann
mir gut vorstellen, dass er sich vielleicht gewünscht hat, sich in sie zu
verlieben. Ich könnte mir denken, dass er etwas mit ihr hatte. Und wenn das
stimmt, kann ich verstehen, dass sie sich Hoffnungen gemacht hat. Vielleicht
projiziere ich aber auch. Vielleicht hätte ich mich einfach so verhalten und
unterstelle Paul deswegen, dass er es auch so tun würde oder getan hat. Wenn
ich Pascal getroffen hätte, dann wären wir im Bett gelandet. Und ich war kurz
davor, sie anzurufen. Gut, ich habe es nicht getan, aber hätte ich es ihm
gesagt, wenn ich es getan hätte? Wohl eher nicht. Und das ganz einfach
deswegen, weil es erstens nichts bedeutet hätte, und zweitens, weil ich nicht
gewusst hätte, wann der richtige Zeitpunkt gewesen wäre. Andererseits ist
Pascal etwas anderes, weil Paul weiß, dass ich nie etwas für sie empfunden
habe. Und außerdem ist sie eine Frau und daher keine direkte Konkurrenz für
ihn. Helene allerdings ist eine scharfe Konkurrenz für mich, und sie haben
keine Vorgeschichte, wie Pascal und ich sie haben. Außerdem ist es ja nicht so,
als ob deren Gartenhüttensex schon Jahre zurück liegt. Es ist erst vor einigen
Wochen passiert. Und Paul ist sonst so gar nicht der Typ für schnelle Nummern
in fremden Gartenhäuschen. Oder vielleicht ist er es doch, und ich weiß es nur
nicht?
Kurz spiele
ich mit dem Gedanken, Lili anzurufen, doch dann verwerfe ich diese Idee, weil
ich weiß, was sie sagen würde, und ich habe keine Lust denselben Vortrag
gehalten zu bekommen wie den, den ich ihr gehalten habe.
Ich bleibe
stehen. Wo will ich überhaupt hin? Ziellos durch die Nacht zu rennen, ist doch
total idiotisch. Ich sollte nach Hause fahren. Ich sollte Paul anrufen. Nein,
das
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