Irgendwo dazwischen (komplett)
ein Hirn, dann könnte ich es ihm
erklären. Aber es hat kein Hirn, und deswegen überschwemmt es mich mit
Gefühlen, die ich nicht haben will. Hass zum Beispiel. Und Wut. Und Trauer.
Wobei die Trauer nicht überwiegt. Es ist der Hass. Und vielleicht liegt das
daran, dass ich nicht aufhören kann, mir vorzustellen, wie er mit ihr schläft.
Und in meiner Vorstellung gefällt es ihm. Mehr noch. Er ist ekstatisch.
Das Grausame
an Fantasien ist, dass sie einem nicht gehorchen. In Zeitlupe gleitet er in
sie, und als er das tut, hat ihr Gesicht so einen Ausdruck. Ich war schon immer
schlecht darin, Bilder passend zu beschreiben. Schon in der Schule. Meine
Lehrerin meinte, ich hätte keine blühende Fantasie. Also, wenn die jetzt sehen
könnte, was meine Fantasie da fabriziert, müsste sie eingestehen, dass sie sich
getäuscht hat. Mehr noch. Sie müsste mich um Verzeihung bitten.
In ihrem
Gesicht ist Anspannung. Ihre Stirn schimmert. Schweißperlen bahnen sich ihren
Weg über ihren Körper. Ihre Brüste drängen sich an seine Brust. Seine Hände... halt .
Was soll das denn jetzt? Nein. Das geht wirklich zu weit. Das von eben war
harmlos. Es war das Vorspiel. Denn jetzt kniet sie vor ihm. Er hält sie an den
Hüften. Nein, das, was Paul da tut, ist nicht einfach nur halten. Er packt sie.
Seine Hände sind angespannt. Sie beben. Die pure Besessenheit. Sein Becken
peitscht gegen ihren Hintern, ihre Brüste wippen bei jedem Stoß. Das sind zwei
gierige Körper, die sich verschlingen. Sie bestehen nur noch aus Fleisch und
aus Verlangen.
Ihre Hände
sind in den Daunen vergraben, lange Haarsträhnen kleben an ihrem Rücken. Sie
genießt es, die Härte seines Körpers zu spüren. Ihre Augen sind geschlossen.
Nicht entspannt, sondern zusammengekniffen. Am liebsten würde ich sie erwürgen,
damit ich ihr Stöhnen nicht mehr hören muss. Er atmet schneller. Seine Hände
gleiten zu ihren noch immer wippenden Brüsten. Ihre Brüste sind größer als
meine. Miststück.
„Marie...“
Paul klingt außer Atem.
„Was suchst
du denn hier?“
„Na,
dich...“ Ich sage nichts. Vor meinem inneren Auge wippen noch immer ihre
Brüste. „Hör zu, Marie...“
„Ich hab
für heute genug gehört, Paul...“
„Du hast
nicht mehr mit mir geredet, du hast gesagt, du fährst zu Pascal...“
„Es war an
dem Abend?!“, unterbreche ich ihn schockiert. „An dem Abend, als wir...“ Der
restliche Satz bleibt mir im Hals stecken.
Er nickt
betreten. „Wir haben etwas getrunken, sie hat mir gestanden, dass sie sich in
mich verliebt hat, und da habe ich es getan...“
„Und was
ist mit dem Brief? Den hast du doch an diesem Abend gestohlen...“
„Gestohlen?
Es stand mein Name drauf...“
„Lenk nicht
ab...“
„Ja, ich
habe den Brief mitgenommen, aber erst hatte ich nicht vor, ihn zu lesen...“
„Und wieso
nicht?“
„Na, weil
du ihn mir nicht gegeben hast... außerdem hatte ich Angst vor dem, was drin
stehen könnte...“
„Und da
vögelst du eine andere?“
„Es war
eben... eine Übersprunghandlung...“
„Eine was?“,
frage ich aufgebracht.
„Wenn ein
Tier zwei gleich starke Instinkte zur selben Zeit verspürt, macht es etwas
vollkommen anderes.“
„Also, Paul
das Tier... Das kann ich mir vorstellen, bildlich sogar...“
„Nein,
nicht so...“ Er denkt nach. „Sagen wir, zwei Hähne tragen einen Wettkampf aus,
okay? Sie greifen also an... wenn einer der beiden dann während des Kampfes
bemerkt, dass der andere ihm gewachsen ist, bekommt er Angst und will fliehen.
Gleichzeitig will er angreifen, um seine Stellung zu verteidigen... und weil
beide Impulse gleich stark sind, fängt er an, nach imaginären Körnern zu
picken... er tut etwas vollkommen anderes, etwas, das mit der eigentlichen
Situation nichts zu tun hat, weil er sich nicht zwischen Flucht und Angriff
entscheiden kann, verstehst du?“
Ich starre
ihn an. „Also Flucht, den Brief nicht lesen, Angriff, den Brief lesen...
Übersprunghandlung Helene vögeln... Richtig so?“ Er nickt. „Na dann sollte ich
hoffen, dass du nicht häufiger in solche schwierigen Situationen kommst... Auf
Parties zum Beispiel, oder wenn...“
„Warum hast
du gesagt, du triffst Pascal?“
„Na, weil
du nicht kapiert hast, was ich eigentlich sagen wollte, und deswegen bin ich
davon ausgegangen, dass du mich nicht willst...“
„Dass ich
dich nicht will? Wohl eher andersrum... ich wollte nicht von dir hören, dass
das alles ein Fehler war... das eine Mal hat völlig
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