Irgendwo dazwischen (komplett)
alles geschluckt. Vor einem Jahr habe ich den Vogel dann
endgültig abgeschossen. Wir waren Einkaufen. Vincent wollte Schokolade, Luis
einen Lolli. Ich habe ihnen erklärt, dass wir genug Süßigkeiten zu Hause hätten
und deswegen keine neuen kaufen würden, bis die alten aufgegessen wären. Die
böse, böse Mama hat also nein gesagt. Und was macht die liebe, liebe
Oma, als Vincent und Luis geknickt durch die Gänge schleichen? Sie packt die
Sachen in ihren Einkaufswagen und zwinkert den beiden neckisch zu. Als ich die
Taschen dann ins Auto hieve, hält sie den beiden eine Schokolade und einen
Lolli entgegen. Und dann bin ich geplatzt.
„Ich hatte
einen Grund, warum ich den beiden keine Süßigkeiten gekauft habe, Grete!“,
schreie ich sie an. Sie zuckt zusammen. In ihrem Gesicht blankes Entsetzen.
„Und, wenn du mir jetzt wieder mit dem Satz kommst, die Deutschen und ihre
Regeln , dann flippe ich völlig aus!“ In diesem Moment schießt mir durch den
Kopf, dass Hana Grete bestimmt niemals angeschrien hätte. Aber ich bin
nicht Hana. Darauf hat mich Grete in den letzten Jahren oft genug aufmerksam
gemacht.
„Ich kann
den Jungs kaufen was immer ich will!“, sagt sie kalt und lächelt die Jungs an.
„Nein, das
kannst du nicht!“, poltere ich. „Das sind meine Söhne, nicht deine!“ Als
sie gerade Luft holen will, um etwas zu sagen, richte ich mich zu meiner vollen
Größe auf und schaue auf sie hinunter. „Wenn ich sage, sie kriegen keine
Süßigkeiten, dann kriegen sie auch keine!“
„Wie redest
du denn mit mir?“, fragt sie pikiert.
„Hör auf,
meine Autorität zu untergraben, dann rede ich nicht so mit dir!“ Vincent und
Luis schauen mich verwirrt und ängstlich an. „Wenn eure Oma euch ab jetzt
Süßigkeiten gibt, wenn ich es nicht erlaubt habe, dann erwarte ich mir, dass
ihr sie mir gebt. Habt ihr mich verstanden?“ Ich sage das auf Deutsch, damit
Grete mich nicht versteht. „Ob ihr das verstanden habt, habe ich euch gefragt?“
Vincent und Luis nicken und strecken mir die Schokolade und den Lolli entgegen.
„Gut...“ Ich stecke beides ein und stelle die dritte Tasche in den Kofferraum.
„Steigt bitte ein...“ Wortlos trollen Vincent und Luis sich ins Auto. Erst
schnalle ich Luis an, dann überprüfe ich, ob Vincents Gurt richtig eingerastet
ist. Denn Vincent kann das allein . Eine ganze Woche hat Grete nicht mit
mir gesprochen. Und ehrlich gesagt, war mir das ganz recht. Als sie sich dann
aber bei mir entschuldigt hat, konnte ich ja schlecht sagen, scher dich zum
Teufel, du finnische Irre... An ihrem Gesichtsausdruck konnte man sofort
erkennen, dass Joakim sie zu dieser Entschuldigung genötigt hatte. Und wenn es
doch nicht er war, dann entschuldigte sie sich nur deswegen, weil ihr nach
einer Woche klar wurde, dass sie ihre Enkel nie wieder sehen würde, wenn sie
nicht den entscheidenden Schritt machen würde. Denn Joakim wusste, dass ich in
diesem Fall nicht nachgegeben hätte. Eher hätte ich Würmer gegessen.
Marie
„Und wohin
geht es jetzt?“
„Nach
Hause...“
„Nach Hause
ist gut...“ Daniela hat recht. Nach Hause ist gut. „Komm trotzdem mal wieder“,
sagt sie leise. „Du wirst mir fehlen.“
„Du mir
auch.“ Ich seufze. „Sehr sogar...“
„Ach ja,
und ruf mich an, wie es bei den Agenturen lief, ja?“
„Ich werde
dich so oder so anrufen.“ Sie lacht. „Vielen Dank für deine Hilfe.“ Ich hoffe,
dass man hören kann, dass ich mehr als nur dankbar bin.
„Das habe
ich gerne gemacht... Pass auf dich auf... Und meld dich...“
„Ja, mach
ich, ich ruf dich an...“
Ich sitze
in meinem Auto, und der Wind bläst mir ins Gesicht. Laute Musik begleitet mich
auf meinem Weg. Meinem Weg zurück in die Vergangenheit. Und in die Zukunft. Ein
bisschen unverschämt finde ich es schon, dass der Umzugsdienst für die Strecke
nach München fünfhundert extra will, aber was soll man machen? Ich hätte es nie
alleine geschafft. Außerdem zieht man ja auch nicht ständig um.
Für einen
kurzen Moment denke ich an Markus. Ich frage mich, ob er schon in Köln ist.
Doch es sind keine wehmütigen Gedanken. Es sind eher erleichterte. Ich bin
froh, dass ich nicht in Köln bin. Ich bin froh, dass ich nicht gerade Kartons
auspacke, um in eine Wohnung zu ziehen, in die ich nie wirklich einziehen
wollte. Und auch wenn mir die Stadt und auch die Wohnung gefallen haben, ich
wäre dort irgendwie einfach falsch gewesen. Ich hätte es eigentlich merken
müssen, als wir die Wohnung
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