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Irgendwo dazwischen (komplett)

Irgendwo dazwischen (komplett)

Titel: Irgendwo dazwischen (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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damals besichtigt haben. Ich wollte ins
Dachgeschoss, aber Markus hat Höhenangst. Ich wollte Altbau, er wollte Neubau.
Ich wollte einen großen Balkon, er wollte lieber einen kleinen Garten. Ich
wollte Stuck, er wollte Glas und Metall. Und auch wenn mir die Wohnung gefallen
hat, es war nicht meine Wohnung. Hochparterre, kleiner Garten, Erstbezug
nach Fertigstellung. Beton, Glas und Metall. Alles war modern. Alles war wie
Markus. Und an modern ist ja nichts auszusetzen, ich finde es nur nicht
gemütlich.
    Ich wusste
in dem Moment, in dem Markus den Vertrag unterschrieben hat, dass ich meine
Wohnung sehr vermissen würde. Meine Wohnung in Hamburg war fantastisch. Sie war
im vierten Stock eines alten Gebäudes. Gut, es gab keinen Aufzug, aber die
Aussicht war einfach atemberaubend. Drei Zimmer, eine Wohnküche, ein schöner
Balkon, eine Abstellkammer, Parkett und hohe Decken. Und auch, wenn ich Hamburg
mit einem weinenden Auge verlasse, das andere lacht München entgegen.
    Ich fahre
auf den Beschleunigungsstreifen der Autobahn und drehe die Musik auf. Laut
singend rase ich der besten Entscheidung meines Lebens entgegen.
    Nächste
Ausfahrt Würzburg. In Kassel habe ich zuletzt angehalten. Das scheint ewig her
zu sein. Weiter Richtung Augsburg. Ich frage mich, wie es Paul wohl geht. Ich
frage mich, ob er vielleicht schon längst verheiratet ist. Und ich frage mich,
ob er sich freuen würde, mich zu sehen. Mich würde es freuen, ihn zu sehen. So
viele Jahre waren wir die besten Freunde. In den vergangenen Jahren war ich so
oft versucht gewesen, ihn einfach einmal anzurufen. Ich hätte so gerne seine
Stimme gehört. Ich hätte ihm so gerne von meinem Job erzählt. Und ich hätte so
gerne gewusst, wie er wohl reagiert hätte, wenn ich ihm erzählt hätte, dass ich
doch nicht Modedesign, sondern Innenarchitektur studiert habe. Das war damals
auch eine richtig gute Entscheidung.
    Ich bin
Innenarchitektin. Und ich bin wirklich erfolgreich. Als ich in Hamburg
gekündigt habe, hat meine Chefin gesagt, mein Nachfolger würde in sehr große
Fußstapfen treten. Gestern Abend habe ich sie angerufen und ihr von meinem
Streit mit Markus erzählt. Ich habe ihr gesagt, dass sie recht damit hatte, dass
Markus nicht der Richtige für mich wäre. Wenn ich in Hamburg eine echte
Freundin hatte, dann Daniela. Wir waren uns von Anfang an sympathisch. Sie
hatte zwar nicht oft Zeit, aber die Zeit, die ich mit ihr verbinde, war eine
der besten Erfahrungen, die ich in Hamburg gesammelt habe. Sie ist die Einzige,
die mir das Gefühl gegeben hat, zuhause zu sein. Und dann hat sie gesagt, dass
sie in München Kontakte hat. Kontakte, die mir helfen könnten. Heute Morgen
dann ein Rückruf, in dem sie mir verkündet, dass ich mich bei drei Agenturen
vorstellen kann, wovon sie mir eine besonders ans Herz legt. Sie hat mich in
allen drei Fällen wärmstens empfohlen. In vier Tagen stelle ich mich bei der
ersten vor. Und auch wenn ich ein bisschen nervös bin, ich freue mich schon darauf.
Es ist ein Neuanfang. Ein Neuanfang im Dachgeschoss, mit Terrasse und hohen
Decken und Stuck. Es ist ein Neuanfang in München, der nördlichsten Stadt
Italiens. Noch zehn Kilometer bis Augsburg. Bald bin ich da.
     
    Emma
    „Ich habe
sie nicht in Schutz genommen.“
    „Doch, das
hast du!“, schreie ich Joakim an. „Hana, Hana, Hana! Immer wieder geht es um
diese bescheuerte Hana.“
    „Du
übertreibst...“, sagt er ruhig.
    „Nein“,
sage ich bestimmt. Und ich habe Recht. Ich übertreibe kein bisschen. Grete war
zum Essen da. Und wen hat sie rein zufällig auf dem Weg hierher
getroffen? Hana. Die Frage bleibt bestehen, ob es wirklich ein Zufall war. Und
dann geht es plötzlich wieder nur um Hana. Ein böses und schauriges Phantom aus
Joakims Vergangenheit. Und als mir dann nach einer dreiviertel Stunde – ich
habe mehrfach auf die Uhr gesehen – der Hut hochgeht, reagiere ich übertrieben.
Und Joakim nimmt sie in Schutz.
    „Aber Hana
hat dir doch nichts getan“, sagt er verständnislos.
    Ich starre
ihn an. Meine Hände ruhen auf meinem gigantischen Bauch. „Und was habe ich
deiner Mutter getan?“, frage ich auf Deutsch. Grete schaut mich irritiert an.
    „Meine
Mutter mag dich“, sagt er ruhig.
    „Ja,
genau...“, sage ich lachend, „...und wie sie mich mag.“
    „Hör auf,
Deutsch zu reden, das ist unhöflich“, sagt Joakim ebenfalls auf Deutsch.
    „Unhöflich?
Wieso unhöflich? Das ist nun einmal meine Muttersprache... Ich kann doch nichts
dafür,

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