Irgendwo dazwischen (komplett)
geschrieben, dass ich denke, dass wir alleine weitergehen müssen, weil wir
unser Leben leben und nicht träumen sollten. Im Nachhinein denke ich, ich
wollte einfach diejenige sein, die es beendet, bevor er es tut. Ich war so
feige. Und was tue ich jetzt? Ich stelle die schönste Situation meines Lebens
nach, um ihn aus meinem Kopf zu verbannen. Doch anstatt dessen wird nur wieder
in mir wach, was er war und was Clemens nicht ist. Ich habe in diesem Brief
geschrieben, dass wir in diese kleine Verliebtheit nicht mehr
hineininterpretieren sollten als es tatsächlich war. Und das war gelogen. Es
war keine kleine Verliebtheit. Dennoch habe ich genau das geschrieben. Ich habe
ihm wehgetan, um es endlich zu beenden. Ich wusste, ich konnte so nicht
weitermachen. Alles in meinem Leben drehte sich um einen Menschen, der nicht
mehr da war, um ein Phantom, das mich immer begleitete. Und weil ich dumm war,
dachte ich, das wäre am besten. Und zwar für uns beide.
Ich weiß nicht, wie oft ich seine Antwort gelesen habe. Mindestens
tausend Mal. Jedes Wort war er. Jedes Wort war echt. Und jedes Wort zeigte, wie
sehr ich ihn verletzt hatte.
Ich liege auf dem Boden. Unter mir eine weiche Decke, die mir
Geborgenheit geben sollte, doch sie tut es nicht. Auf mir liegt ein Fremder,
der mich nicht liebt. Seine Augen sind geschlossen, und er genießt es, sich in
mir zu bewegen. Ganz langsam und tief dringt er in mich ein. Er ist sanft und
gefühlvoll. Und ich weiß, das ist er, weil er denkt, dass es mir gefällt. Und
es ist auch schön. Doch vor meinem inneren Auge durchlebe ich jenen Nachmittag
mit Stefan. Sein Kopf auf meiner Brust, sein Atem kühl auf meiner Haut. Die
Türen zur Terrasse waren weit geöffnet und lauer Wind schwappte zu uns auf den
Boden. Mit den Fingerkuppen gleitet er über meine Haut. Nur unser Atem und
leise Musik. Dazwischen das Rascheln der Blätter im Wind. Seine Wärme an meinem
Körper.
Clemens bewegt sich schneller, und ich bin froh, weil ich weiß,
dass er bald gehen wird. Bin ich unfair, oder ist er unaufmerksam? Sollte er
nicht merken, dass ich in Gedanken ganz woanders bin? Dass ich in Gedanken mit
einem anderen schlafe? Oder sollte ich das hier einfach nicht tun? Wem mache
ich etwas vor? Und dann plötzlich sehe ich Stefan, wie er mit einer anderen
schläft. Dieses Bild schmerzt wie tausend Messerstiche. Er liegt auf dem
Rücken, sie sitzt auf ihm. Langsam und genussvoll bewegt sie sich. Seine Hände
gleiten über ihre Haut. Das soll aufhören. Ich will das nicht sehen. Die
Schlampe soll verschwinden. Raus aus meinem Kopf. Doch sie tut es nicht. Sie
bewegt sich weiter. Und sie genießt es in vollen Zügen. Ich spüre, wie mir
Tränen in die Augen steigen und versuche sie zu unterdrücken. Was soll ich
Clemens sagen, wenn er fragt, warum ich weine? Sie beugt sich hinunter und
küsst ihn. Seine Augen sind geschlossen und in seinem Gesicht brennt die Lust.
Ich hasse Stefan.
Clemens hat nicht bemerkt, dass ich geweint habe. Und jetzt ist er
weg. Besser so. Ich liege auf meinem Bett und starre an die Decke. Noch immer
sitzt sie auf ihm. Noch immer bewegt sie sich mit ihm. Schlampe. Und je mehr
ich versuche, mir das nicht vorzustellen, desto detaillierter spielt sich alles
ab. Gedanken haben immer noch die beste Grafik. Sein Griff wird fester, und ich
weiß, er wird bald kommen. Ich sehe es ihm an. Ich kenne diesen
Gesichtsausdruck. Und sie wird spüren, wie die Anspannung der Entspannung
weicht. Langsam stehe ich auf und gehe zu meinem Schrank. Ich weiß, ich sollte
das nicht tun, doch ich kann nicht anders. Nur so werden die Bilder weggehen.
Ich greife nach einem kleinen Karton und ziehe ihn vorsichtig hervor. Mein
Karton und ich sitzen gemeinsam auf dem Bett und warten. Lange schaue ich ihn
an, bevor ich den Deckel abnehme und zwischen vielen Briefen einen bestimmten
herausziehe.
Liebste Emma,
dein Brief klingt nicht nach der Emma, die ich
kenne und liebe. Ich kann nicht verstehen, warum du mir so wehtust. Ich weiß,
dass ich mehr für dich war als eine kleine Verliebtheit. Ich weiß, dass du in
deinem Inneren ein empfindsames und leicht erschütterbares Wesen bist. Ich
weiß, dass du oft an dir zweifelst, und ich weiß, dass du Angst hast. Aber die
Emma, die ich kenne, wusste, dass ich nur sie liebe. Und diese Emma hätte mir
auch nicht einen solchen Brief geschrieben.
Das alles ist nicht einfach, aber ich wusste,
dass es das nicht sein würde. Du hast uns durch diesen Brief verraten. Und auch
wenn
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