Irgendwo dazwischen (komplett)
mein Handy wieder einschalte. Und es hört nicht
auf zu piepen... So beliebt ist man erst, wenn man nicht da ist, und erst
recht, wenn einem der Kiefer zu Brei geschlagen wurde.
Der Speicher ist voll. Den ersten Schwung Kurzmitteilungen kann
ich getrost löschen. Die ersten vier von Emma, in denen sie sich entschuldigt,
dass sie nicht aufgetaucht ist. Dann eine, wieder von Emma, in der sie
schreibt, ich solle mich nicht so stur stellen und ihr endlich antworten. Dann
noch eine, in der sie sich für die vorhergehende entschuldigt. Dann eine von Ella,
die ich gelöscht habe, ohne sie zu lesen, und zwei von Marie. Als diese neun
gelöscht sind, piept es weiter. Ich verschwinde ab jetzt öfter mal für ein paar
Tage... Diese Nummer kenne ich nicht. Hey Kleines… Mein Herz bleibt stehen. Tief durchatmen. Noch Mal von vorne. Hey Kleines, ich wünschte, Rüdiger hätte mich erwischt und nicht
dich. Er hat so etwas noch nie gemacht. Ich kann noch immer nicht fassen, dass
er dich so in die Enge getrieben hat. Tut mir Leid, dass ich dich nicht mehr
besucht habe, aber Emma war ja dann da. Dein Elias. Ich lese diese
Nachricht mindestens ein Dutzend Mal. Dein Elias. Emma
war ja dann da. Ja und?! Dann war Emma eben da... Ich speichere seine
Nummer und öffne die Nachricht erneut. Vor elf Tagen hat er sie geschrieben. Es
piept wieder... dieses Mal ist es leider Ella. Optionen, Löschen. Sind Sie
sicher? Ja. Und wieder piept es. Name des Senders Mein
Elias. Oh, mein Gott. Hey Kleines... ich würde dich
gerne besuchen, aber Giselle ist überraschend aus Frankreich zu Besuch und
spannt mich ziemlich ein. Wie ich höre, geht es dir schon viel besser... Marie
sagt das zumindest... ich hoffe, dich bald zu sehen. Elias. Ab dem Wort
Giselle kann ich nicht mehr scharf sehen. Warme, dicke Tränen laufen über mein
Gesicht. Wut steigt in mir hoch. Ich kann mir vorstellen, wie sie dich
einspannt. Bildlich sogar. Kein Dein Elias mehr. Gott, bin ich naiv.
Optionen, Löschen. Sind Sie sicher? Ja, bin ich denn sicher? Ja – gelöscht.
Telefonbucheintrag Mein Elias umbenennen? Ja. Neuer Name Elias gespeichert.
Emma
Ihn mit Giselle zu sehen, ist schon ein bisschen komisch, aber die
beiden gehören einfach zusammen. Er hat sie so unsagbar geliebt. Gut, sie hat
ihn dann hängen lassen und ist wieder zurück nach Paris, aber jetzt ist sie
wieder da, und das ist es doch, was wirklich zählt.
Es ist ein großer Schritt, die Heimat, die Familie und die Freunde
hinter sich zu lassen. Sie hat es getan. Für ihn. Das ist wahre Liebe.
Es scheint allerdings so, als wäre da irgendwas nicht in Ordnung.
Er hat zwar gelächelt, als er sie gesehen hat, aber es war so ein erzwungenes
Lächeln. Ich kenne Elias, und dieses Lächeln war nicht echt.
Ich weiß noch, wie er gelitten hat, als sie gegangen ist. Es hat
lange gedauert, bis er wieder hergestellt war. Sie hat noch ewig in ihm
gewütet. Und ich weiß nicht einmal, ob er jemals wirklich über sie
hinweg gekommen ist. Ich meine, es gab keine andere nach ihr. Sicher, da waren
ein paar Kurzgeschichten, aber nichts Ernstes. Giselle war seine große Liebe.
Mein Stefan. Lilis Elias. Gott, ist das verworren...
Lili
In der Schule frage ich Emma möglichst unauffällig, „Du hattest ja
gar nicht erwähnt, dass Giselle zu Besuch ist...“ Und kaum sage ich es, merke
ich, wie blöd das war. Vielleicht merkt Emma es ja nicht.
„Ach ja, hatte ich ganz vergessen. Sie ist vor eineinhalb Wochen
gekommen, aber ich hab nicht viel von ihr gesehen. Wenn ich nicht bei Clemens
war, war ich ja bei dir... Woher weißt du denn dann, dass sie da ist?“ Mist,
sie hat es gemerkt. Ehrlich sein oder lügen? Vielleicht hat Elias meine Nummer
von Emma, dann weiß sie es sowieso und lügen wäre scheiße.
„Elias hat mir ne SMS geschickt und davon geschrieben.“ Ich hab
mich kurzerhand für die Wahrheit entschieden.
„Ach, deshalb wollte er deine Nummer. Ich dachte schon, du willst
wieder was von ihm. Aber das Kapitel haben wir ja Gott sei
Dank hinter uns gelassen... Mein Bruder und meine beste Freundin...
nein, das wäre gar nicht gut“, sagt sie und ich denke, ja,
für dich wäre das nicht gut. Für dich, Emma…
Ich weiß nicht, warum ich tue, was ich tue, doch ich tue es
dennoch. Ich lasse mich für denselben Nachmittag zu Emma einladen und hoffe,
Elias und seine französische Schlampe zu sehen. Die letzten drei
Unterrichtstunden wollen überhaupt nicht vergehen. Emma quasselt von Clemens
und wie unglaublich es
Weitere Kostenlose Bücher