Irgendwo dazwischen (komplett)
auf mich zu.
„Kann ich mich neben dich setzen?“, fragt sie mich. Ich kann kaum
fassen, dass sie das tut. Ich habe mich immer gut mit Leni verstanden. Doch nie so gut. Ich wollte Emma nicht kränken. Deswegen habe
ich es mit Leni immer bei schlichten Freundlichkeiten belassen.
„Ähm, sicher“, antworte ich, sichtlich erstaunt. „Denkst du, das
ist eine gute Idee?“, frage ich sie, als sie sich schon längst neben mich
gesetzt hat.
„Aber klar. Was wird Emma schon tun? Ich kenne sie sehr gut, und
deswegen weiß ich, dass diese harte Art reine Fassade ist. Wäre sie so zu dir,
wenn du ihr egal wärst? Würde sie sich so dermaßen lächerlich machen? Nein.
Natürlich nicht. Und ich werde einen Teufel tun und bei dieser Tour mitmachen“,
sagt sie und wirft ihrer Schwester einen vielsagenden Blick zu. Emma ist zu
schockiert, um den Blick sofort zu erwidern, und ich kann ihr das nicht einmal
verdenken. Leni beeindruckt mich wirklich. Gleichzeitig tut Emma mir Leid. Ein
solcher Tritt von der eigenen Schwester.
Emma
Ich kann nicht fassen, dass sie das tut. Und ich weiß, dass das
nicht auf Lilis Mist gewachsen ist. Denn auch wenn sie das nicht sein müsste,
ist Lili loyal. Zumindest weiß ich, dass sie nichts tun würde, um mich zu
verletzen. Ich weiß, dass sie sich nur wünscht, dass wir das klären, auch wenn
das nicht passieren wird. Sie hätte sich kleinlaut alleine an den Tisch gesetzt
und es über sich ergehen lassen. Und dann kommt Leni. Meine Eltern wären sicher
stolz, dass sie sich behauptet und sich für Lili einsetzt. Sie hätten diesen
Gesichtsausdruck, den sie nie haben, wenn es um mich geht.
Es versetzt mir einen richtigen Stich, dass sie das tut. Und doch
weiß ich, dass ich es verdient habe. Denn Leni und ich haben noch eine alte
Rechnung offen. Ich hätte mir denken können, dass sie das tut. Ich hätte es
sogar wissen müssen. Denn ich habe Leni wehgetan. Und auch wenn das schon
länger her ist, weiß ich, dass sie es mir nie verziehen hat.
Eigentlich konnte sie mir nicht verzeihen, denn ich habe nie um
Verzeihung gebeten. Ich habe nie zugegeben, dass ich einen Fehler gemacht habe.
Sie hätte mir zwar wahrscheinlich auch dann nicht verziehen, doch dann hätte es
etwas zu verzeihen gegeben. Nur dann. Und ich hätte ihr auch nicht verziehen,
wenn sie getan hätte, was ich getan habe. Sie hat also eigentlich ein Recht auf
ihre Revanche. Doch ich hätte nicht gedacht, dass sie das tun würde. Vielleicht
hätte ich auch nur nicht gedacht, dass sie sich traut.
Lili
Es ist kurz vor Unterrichtsbeginn, als mein Handy piept. Als ich
mich zu meiner Tasche bücke, höre ich Emmas bissigen Kommentar „Wie niedlich,
jetzt bekommt Lili auch mal eine SMS von nem Kerl.“ Miststück, denke ich. Doch
sie kann denken, was sie möchte... Sie soll schauen, dass sie ihren Saugnapf
halten kann... Ella wird da sicher noch eine Herausforderung.
Eine neue Nachricht. Öffnen. Mein Elias. Guten
Morgen, Kleines. Diese Nacht war ganz schrecklich, weil du nicht neben mir
geschlafen hast... und auch, wenn du lachen wirst, ich habe trotzdem Pumuckl
gehört... Ich fahre jetzt zur Uni und ich werde dich jeden einzelnen Augenblick
vermissen... Ich liebe dich – Dein Elias. „Deinem Lächeln nach zu
urteilen ist die Nachricht von Elias“, sagt Leni und strahlt mich an.
„Ja ist sie“, gebe ich zu. Ich halte ihr mein Handy hin.
„Es scheint ihn wirklich schwer erwischt zu haben“, sagt sie,
nachdem sie die SMS gelesen hat. „Er hat mir vor einiger Zeit schon gesagt, wie
sehr er in dich verliebt ist.“
Ich schaue sie ziemlich verdutzt an. „Ach, wirklich?“
Sie nickt. „Weißt du, Elias und ich haben ein enges Verhältnis,
obwohl der Altersunterschied ziemlich groß ist, oder vielleicht gerade
deswegen. Ich meine, er hat auch zu Emma ein wirklich inniges Verhältnis – oder
sollte ich sagen hatte ...“ Ich schlucke und schaue
schuldbewusst zu Boden. „Schau nicht so. Sie hat sich diesen Weg ausgesucht.
Keiner hat sie gezwungen, sich so zu verhalten. Und sie hätte an deiner Stelle
nicht anders gehandelt... Glaub mir.“
„Was heißt hier hätte “, sage ich eher zu
mir selbst.
„Ich verstehe nicht ganz...“, sagt Leni leicht irritiert.
„Ich fand Clemens toll. Sogar ziemlich lange. Emma wusste das und
ist trotzdem mit ihm zusammengekommen.“
Leni schweigt eine Weile. „Das wusste ich gar nicht“, sagt sie
nach einer Weile.
Nach dieser Aussage ist sie sehr still. „Ist alles bei dir
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