Irgendwo dazwischen (komplett)
in
Ordnung?“, frage ich ein wenig betreten. Vielleicht hätte ich das nicht sagen
sollen.
„Kein feiner Zug von ihr. Und es läuft genau auf das hinaus, was
ich eben gesagt habe. Sie nimmt sich, was sie will, ohne Rücksicht auf
Verluste...“
„Na ja... findest du nicht, dass das ein wenig zu weit geht? Sie
hat sich eben in ihn verliebt...“, entgegne ich auf diese doch ziemlich harte
Äußerung.
„Du bist eine wirklich gute Freundin, Lili... Emma hat dich gar
nicht verdient...“ Und nach einer Weile fügt sie hinzu, „Nach allem, was sie
sich geleistet hat, bist du immer noch loyal.“
Emma
Mit Leni an ihrer Seite scheint es, als wäre es Lili vollkommen
egal, dass ich sie verachte. Nie hätte ich gedacht, dass Lili das tun würde.
Gut, Leni hat ein Recht, mich zu bestrafen, doch Lili hätte sie abweisen
müssen. Das geht nur Lili und mich etwas an. Sonst niemanden. Jetzt hat sie
auch noch Leni mit reingezogen. Und weil ich meine Enttäuschung nicht zeigen
kann, steigt die Wut in mir mehr und mehr. Eigentlich weine ich innerlich.
Eigentlich sterbe ich innerlich tausend Tode, weil ich Lili nicht verlieren
will. Doch sie hat mich verraten. Sie hat zugelassen, dass das passiert. Sie
hat sich in meine Familie gedrängt. Und jetzt schläft sie nicht nur mit meinem
Bruder, jetzt verbringt sie die Pause mit meiner kleinen Schwester. Wenn sie
denkt, dass mein Schweigen das Einzige ist, was sie aushalten muss, dann hat
sie sich getäuscht.
Ich kann nicht verstehen, wie das alles überhaupt passieren
konnte. Ich meine, Lili und ich, wir waren einmal wie Schwestern. Und jetzt?
Wie konnte ich nur so blind sein? Wie konnte ich es nicht merken, dass sie sich
wieder in ihn verliebt hat. Oder vielleicht hat sie nie wirklich aufgehört, ihn
zu lieben. Vielleicht ist sie nämlich genauso erbärmlich wie ich.
Sie hatte eigentlich nie einen anderen. Klar, da gab es so ein
paar arme Typen, die sich die Zähne an ihr ausgebissen haben. Und ja, ein paar
durften ihr auch an die Wäsche. Doch sie hat nie wieder so über einen geredet
wie über Elias. Ich hätte es merken müssen. Ich hätte es einfach spüren müssen.
Eigentlich sitzen Lili und ich in einem Boot. Nur wissen wir das nicht. Oder
ich wusste es bis eben nicht. Und sie ahnt noch immer
nichts davon. Wann haben wir aufgehört, uns gegenseitig zu vertrauen? Wann hat
das angefangen? Ich weiß es nicht mehr.
Und auf einmal macht es Sinn, dass Lili mir das mit Clemens nicht
wirklich übel genommen hat. Sie war nicht wirklich in ihn verliebt. Sie wollte
vielleicht. Und vielleicht dachte sie es sogar. So wie ich. Vielleicht wollte
sie einfach in ihn verliebt sein. Genauso wie ich es eben wollte. Und unterm
Strich ist es so, dass sie immer meinen Bruder geliebt hat, und ich eben
Stefan. Der Schock ist bloß, dass Elias sie, wie es aussieht, auch liebt. Und
das kann ich nicht glauben. Er ist zu alt für sie. Und er ist zu... ich weiß
nicht... Er soll sie nicht lieben. Er soll eine in seinem Alter finden. Lili
ist meine Freundin. Zumindest war sie das.
Und obwohl ich das alles weiß, kann ich nicht auf sie zugehen.
Eher würde ich mir die Zunge abbeißen. Sie wird sich bei mir entschuldigen
müssen, denn ich gehe nicht einen Millimeter auf sie
zu. Sie ist schuld. Nicht ich. Und auch wenn das nicht ganz stimmt, es stimmt
fast ganz.
Lili
Der Tag verläuft weniger schlimm, als ich gedacht hätte. In der
Pause stehe ich mit Leni und Kaya vor der Schule und rauche eine. Kaya ist noch
zu jung, um auf dem Raucherhof rauchen zu dürfen. Die beiden waren zusammen in
einer Klasse, bis Leni übersprungen hat. „Leni hat mir schon viel von dir
erzählt“, sagt Kaya und schaut mich erwartungsvoll an. Man merkt, dass sie
eigentlich etwas ganz anderes sagen oder fragen wollte. Und nach einer kleinen
Pause fragt sie dann ziemlich unvermittelt „Stimmt es, dass du mit Lenis Bruder
zusammen bist?“
Ich blicke zu Leni, die ein wenig rot wird und sage dann mit einem
Lächeln auf den Lippen, „Ja, Elias und ich sind zusammen.“ Es fühlt sich toll
an, das zu sagen.
„Wirklich? Fantastisch. Er ist einfach wundervoll... Also, ich
meine, er sieht toll aus...“, sagt Kaya und nun wird auch sie rot.
„Ja, da hast du recht. Ich finde ihn auch fantastisch.“ In diesem
Moment vibriert mein Handy. Ich habe es vorhin auf Vibrationsalarm umgestellt.
Insgeheim hoffe ich, die Nachricht wäre von Elias. Doch sie ist von Emma. Verzweiflung kennt keine Grenzen. Du bist der lebende
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