Irgendwo dazwischen (komplett)
Beweis
dafür. Mein Bruder wird nicht ewig Mitleid haben... Deine „ich bin klein, mein
Herz ist rein“ Masche wird auch nicht immer ziehen… Ich hätte nicht gedacht,
dass du dich nicht einmal mehr auf den Raucherhof wagst… aber vielleicht bist
du bei meiner kleinen Schwester ohnehin besser aufgehoben. Die Invasion auf
meine Familie scheint begonnen… du bist echt das Letzte… Es ist eine
Mischung aus Trauer und Wut, die in mir aufsteigt. Doch ich werde ihr nicht die
Genugtuung geben, verheult in den Englisch-LK zu kommen.
„Was ist denn los, Lili?“, fragt Leni.
„Ja, du bist plötzlich so still... ich hoffe, ich war nicht zu
indiskret, ich wollte nicht...“
„Du warst kein bisschen indiskret... ich habe nur eine unschöne
SMS bekommen, das ist alles“, unterbreche ich Kaya und zwinge mich zu lächeln.
„Emma?“, fragt Leni. Ich nicke. „Je mehr sie feuert, desto
verzweifelter ist sie. Lass es möglichst nicht zu nah an dich heran... Ich
kenne Emma, und sie schießt mit schweren Geschossen, wenn sie meint, einen
Grund dafür zu haben, der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel“, sagt Leni und
ihr Blick ist tatsächlich tröstend. Und dann fragt sie, „Erinnerst du dich an
Timo?“
„Timo? Ja, dunkel... war Emma nicht vor ein paar Jahren kurz mit
ihm zusammen?“
„Ja, genau.“, antwortet Leni, und in ihrer Stimme ist Verbitterung
zu hören.
„Und was ist nun mit ihm?“, frage ich vorsichtig.
„Er war mit mir zusammen. Ich war
wirklich in ihn verliebt. Für Emma war er eine kleine Trophäe, nichts weiter.
Für mich nicht. Dennoch hat er mit mir Schluss gemacht, um mit ihr zusammen zu
sein. Sie hat dann nach drei Tagen mit ihm Schluss gemacht. Und auch, wenn ich
es ihm gegönnt habe, war eigentlich sie das Problem. Auch wenn er sich
in sie verliebt hat, hätte sie das nicht tun dürfen.“ Wir schweigen. Und ich
kann nicht fassen, dass Emma sowas getan hat. „Doch sie hat es getan, und sie
hat nicht mit der Wimper gezuckt. Wäre sie wirklich in ihn verliebt gewesen,
wäre das eine Sache, doch sie war nicht in ihn verliebt. Ihre Wirkung auf
Männer ist nicht gut für sie. Genauso, wie sie mit Männern spielt, sehen sie
sie nur als einen Körper. Mehr ist sie nicht.“ Stille überkommt uns. Ich hatte
keine Ahnung von all dem. Timo war in meinen Augen keine große Sache gewesen,
weil Emma ihn eben nach ein paar Tagen in den Wind geschossen hat. „Immerhin
hat sie nicht mit ihm geschlafen“, sagt Leni in die Stille, und es scheint, als
hätte sie eher laut gedacht als mit uns gesprochen.
„Was?“, frage ich, ohne zu denken. Ich wünschte, ich hätte mir auf
die Zunge gebissen. Doch das war so ein böser Gedanke, der schon ausgesprochen
war, bevor ich ihn zu Ende gedacht hatte. Denn Emma hat die gesamten drei Tage
dieser Beziehung – wenn man das so nennen kann – nichts anderes getan, als mit
Timo zu schlafen.
„Weißt du von etwas anderem“, fragt Leni. Ihr Gesichtsausdruck ist
voller Anspannung. Es scheint sie große Mühe zu kosten, nicht zu schreien. „Hat
sie mit ihm geschlafen?“ Ihr Blick ist fordernd. Das ist eine dieser
Situationen, die man nicht einmal seinem ärgsten Feind wünscht. Soll ich Leni
die Wahrheit sagen oder die Wahrheit um Emmas Willen für mich behalten? „Du
musst nichts sagen“, unterbricht Leni meine Gedanken. „Dein Schweigen spricht
Bände... Ich finde beeindruckend, dass du einer Person gegenüber loyal bist,
die so etwas wie Loyalität nicht kennt. Sie wird jedes noch so schmutzige
Geheimnis von dir ausplaudern, wenn es einem Zweck dient. Sie wird jedes
Geheimnis von dir verraten, alles, was du je über irgendwen gesagt hast...“ Ich
schaue sie an. Und ich weiß, dass sie Recht hat. Nach einer Weile fügt sie
hinzu, „Aber du hast mich nicht angelogen... Das rechne ich dir hoch an.“
„Ich dachte, Timo ist dir dann ewig hinterhergelaufen?“, frage
ich, um vom Thema Sex abzulenken.
„Ja, das stimmt. Aber ich bin nicht von der Wohlfahrt und für
Emmas abgenutzte Ware bin ich mir zu gut. Das habe ich Timo damals auch gesagt.
Er hat was von Fehlern gestammelt und dass Menschen nicht perfekt sind...
Blabla... Für mich war die Sache erledigt, auch wenn ich insgeheim noch Monate
darunter gelitten habe...“ Und da sind sie, die Prinzipien. Genau deswegen
werden solche Frauen zum Maßstab für alle anderen. Weil sie so selten sind.
„Weißt du, ich hatte mich damals noch nicht bereit gefühlt, mit ihm zu
schlafen. Jetzt, da ich weiß, dass
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