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Irgendwo dazwischen (komplett)

Irgendwo dazwischen (komplett)

Titel: Irgendwo dazwischen (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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schaltet sich Kaya nach einer längeren
geistigen Abwesenheit wieder ein. „Du weißt genau, dass er nicht nur einmal
Andeutungen in deine Richtung gemacht hat...“
    „Es ist vollkommen egal, wie er das sieht“, sagt Leni, und Kaya
und ich wissen, dass das Thema damit abgeschlossen ist.
    In der Englischstunde zeigt Emma dann, auf welches Niveau sich
Frauen begeben können, wenn sie jemandem den Krieg erklärt haben. Da sie mit
mir nicht mehr redet, erzählt sie es eben denen, die zuhören wollen. Und weil
unser Klassenzimmer nicht übermäßig groß ist, kann jeder hören, was sie von
sich gibt.
    „Mein Bruder behauptet ja, dass er nicht mit seiner Exfreundin
geschlafen hat. Sie ist ein französisches Model... Sie war neulich da. Und sie hat er wirklich geliebt – dabei betont sie das Wort sie übertrieben stark – Ich denke ja, dass das nicht stimmt. Ich habe da andere
Geräusche aus seinem Zimmer gehört... Ihr wisst schon, was ich meine“, dabei
lacht sie, und die kleine Runde um sie herum tut es ihr gleich. „Man sollte
eben in seiner Liga spielen. Das hat Lili noch nicht so ganz kapiert. Habe ich
eigentlich schon erzählt, dass sie in Clemens verliebt war?“ Ella schaut zu
mir. Und nicht nur sie. Alle starren mich mit jenem mitleidigen Blick an, den
man Witwen auf Beerdigungen zuwirft. „Und sie dachte doch tatsächlich, sie
hätte Chancen...“
    „Träumen ist nicht verboten, Emma“, sagt Ella und kann sich ein
Lachen nur schwer verkneifen.
    Und so sehr ich mir auch vorgenommen habe, nicht auf diese
Schlammschlacht einzugehen, kann ich mich doch nicht zusammenreißen. Wenn sie
einen Krieg will, kann sie ihn haben. Mein Blick fällt auf Leni, die eben ins
Zimmer kommt. Ich hoffe, sie denkt nicht schlechter von mir, wenn ich erst
einmal gesagt haben werde, was ich gleich sagen werde. „Es ist natürlich viel
besser, eine schöne, aber geistig eine total verkümmerte Hülle zu sein, die
zwar jeder Kerl gern mal so richtig ran nehmen würde, der aber kein Mensch
tatsächlich Gehirntätigkeit zutraut.“ Emma schaut schockiert. Und sogar ich
selbst bin schockiert über mich. Das war weit unterhalb der Gürtellinie. Sie
sagt nichts. Ich weiß, dass sie mit aller Macht gegen die Tränen ankämpft. Ich
weiß das so genau, weil ich eben in derselben Situation war. „Seien wir doch
einmal ehrlich, du hast von meiner Freundschaft viel mehr profitiert als ich
von deiner“, feuere ich weiter. „Sieh zu, wie du die Prüfungen schaffst... Ganz
ohne meine Aufzeichnungen, ohne meine Erklärungen und ohne meine Hilfe... Zu
dumm, dass die meisten Lehrer weiblich sind, sonst hättest du vielleicht durch
deine eingeschränkten Qualitäten überzeugen können.“ Lange schaue ich sie an.
Die Luft scheint zu knistern. „Du tust so, als wärst du so selbstsicher, aber
im Gegensatz zu dir brauche ich keine Menschenschar im Rücken, um mich sicher
zu fühlen.“
    Die Stille in der Klasse ist bedrohlich. Leni schaut mich mit
großen Augen an. In ihrem Blick kann ich jedoch keine Enttäuschung erkennen.
Eher Bewunderung oder Respekt. Vielleicht sogar beides. Mein Blick schweift
zurück zu Emma, deren glasige Augen Bände sprechen. Langsam, ganz langsam steht
Emma auf. Mir ist klar, dass ich vor diesem Ausbruch noch eine weiße Weste
hatte. Ich hätte mich weiterhin in Unschuld baden und passiv bleiben können.
Doch was habe ich schon getan? Ich habe mich in ihren Bruder verliebt und mit
ihm geschlafen. Ja, ich habe nicht mit ihr geredet, jedoch nur, weil ich nie
gedacht hätte, dass sich jemals etwas zwischen Elias und mir ergibt. Wenn ich
mich zwischen meinem und Emmas Glück entscheiden muss, wähle ich meines. Auch
wenn ich schade finde, dass ich überhaupt wählen muss.
    Emma geht in Richtung Tür. „Ach ja“, sage ich noch, und ich weiß,
dass sie mich hört, „Ich hätte dich schon zum Teufel schicken sollen, als du
mit Clemens zusammengekommen bist, wohl wissend, dass ich in ihn verliebt
war...“ Sie dreht sich zu mir um und schaut mich an. Tränen laufen über ihre
Wangen. „Damals hast du unsere Freundschaft auf die Probe gestellt und ich habe
dir verziehen... Ich hatte was gut bei dir, etwas richtig Großes, weißt du
noch? Das wäre es gewesen... Dass du dich für mich
freust. Aber dazu bist du anscheinend nicht fähig. Du bist echt armselig...“
    Den letzten Teil hätte ich mir wirklich verkneifen sollen. Der
Rest war in Ordnung. Emma ist verschwunden und taucht den restlichen Schultag
nicht mehr auf.

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