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Irgendwo dazwischen (komplett)

Irgendwo dazwischen (komplett)

Titel: Irgendwo dazwischen (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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setze ich mich wieder zu ihm.
„Also?“
    „Willst du die lange oder die kurze Version?“
    „Schnell und direkt.“
    „In Ordnung…“ Ich seufze, dann sage ich, „Paul...“, mehr bekomme
ich nicht raus. Ich schaue ihm in die Augen.
    „Sag es einfach…“
    „Ich bin lesbisch.“ So. Jetzt ist es raus. Ich versuche, in seinem
Gesicht irgendetwas zu erkennen. Doch da ist nichts. Kein Ausdruck. Nichts.
Sein Blick ist völlig leer.
    „Was? Du bist was ?“ Und dann erzähle ich ihm alles. Er
schweigt und hört zu. Ich erzähle ihm von all den Männern. Ich erzähle ihm
davon, dass ich noch nie bei einem Mann gekommen bin, und dass er der erste
war, der mich ehrlich erregt hat. Ich gestehe, dass ich dachte, er wäre
vielleicht der Beweis dafür, dass ich doch nicht auf Frauen stehe. Ich erzähle
ihm von Lili, die er nur aus meinen Erzählungen kennt. Ich erzähle ihm, dass
ich sie liebe, dass ich mit ihr geschlafen habe. Ich schwöre ihm, dass ich ihm
nie wehtun wollte, aber dass ich mich so geborgen bei ihm gefühlt habe, dass
ich es genossen habe, aber dass ich plötzlich bemerkt habe, dass ich eben nicht
mit ihm schlafen will.
    Noch immer starrt er mich an. Tränen laufen über seine Wangen.
„Liebt sie dich?“, fragt er schließlich.
    „Lili?“ Er nickt. „Nicht so, wie ich sie liebe...“
    „Und du bist noch nie mit einem Kerl gekommen?“
    „Bis auf heute nicht, nein...“
    „Und das war echt?“
    Ich nicke. Nach einer Weile frage ich, „Hat es dir gefallen, mit
mir zu schlafen?“ Ich schaue zu Boden, als ich das frage.
    „Machst du Witze? Es war der perfekte Moment...“ Ich blicke auf.
„Hast du es wirklich nie bemerkt?“
    „Was bemerkt?“
    „Na, dass ich dich liebe...“
    „Nein“, gebe ich zu.
    „Im Ernst jetzt? Ich meine, du hast es nicht einmal vermutet?“ Ich
schüttle den Kopf. „Ich dachte, ich war ziemlich offensichtlich...“
    „Warst du nicht...“ Eine Weile schweigen wir.
    „Das heißt dann, dass es das zwischen uns war... es wird nie ein Wir in dem Sinne geben?“
    „Ich denke nicht, nein.“
    „Das tut echt weh...“ Und auch mir tut es weh. Denn ich wünschte,
es wäre anders. Und zum ersten Mal verstehe ich, wie es Lili gehen muss, und
ich begreife, dass es auch keinen Spaß macht, die zu sein, die die Liebe nicht
erwidert. Es ist so und so scheiße. Denn ich wünschte, ich könnte Paul in die
Arme sinken und ihm sagen, dass ich ihn liebe. Ich wünschte, es wäre so. Ich
wünschte, ich könnte das beeinflussen. Doch das kann ich nicht.
    So war es eben. Er liebte mich. Ich liebte Lili. Lili liebte
Elias. Und Elias liebte Giselle. Da fragt man sich doch, was das alles soll…
     
    Emma
    „Hey, Liebes... Lust auf ne Party?“ Es ist Kim. Und eigentlich
habe ich keine Lust. Aber ich sage trotzdem zu. Ich kann ja nicht ewig zu Hause
rumsitzen... Vielleicht ist das die beste Lösung. Ich werde mich betrinken. Ich
werde mich dafür verfluchen, dass ich Stefan geschrieben habe. Und ich werde
tanzen.
    „Klar, bin dabei...“, sage ich in dem Ton, den ich immer habe,
wenn ich mit Kim rede. „Holt ihr mich ab? ... Gut... Nein, ruf du ihn doch an,
ich muss noch was erledigen... Okay, super... ja, dann bis später...“ Ich habe
nichts zu erledigen, aber ich will Clemens nicht fragen, ob er mitkommen will.
Ich frage mich, ob Lili dort sein wird. Ich will sie nicht sehen. Und Elias
erst recht nicht. Ach, und wenn schon... ich werde mir einen schönen Abend
machen.
    Mit diesem Gedanken gehe ich in die Küche und öffne eine Flasche
Wein. Meine Flasche und ich gehen wieder nach oben. Ich setze mich an meinen
Schreibtisch. Leni. Ich werde ihr schreiben. Ich werde ihr erklären, warum ich
ihr das angetan habe. Ich will, dass sie weiß, dass es mir Leid tut. Ich nehme
einen großen Schluck aus der Flasche. Und dann noch einen. Wie fange ich an.
Und nach einer Weile beschließe ich, dass heute nicht der richtige Tag für
einen solchen Brief ist. Man kann sowas nicht erzwingen.
    Ich frage mich, ob Stefan mir antworten wird. Ich frage mich, ob
er sich freut, von mir zu hören. Und dann nehme ich mir vor, Leni einen Brief
zu schreiben, wenn Stefan auf meine Entschuldigung reagiert. Wenn nicht, dann
ist diese Art, sich zu entschuldigen, vielleicht doch nicht die beste Idee. Ich
werde abwarten. Abwarten ist gut.
    Ich setze die Flasche an und trinke. Der Wein läuft langsam meine
Kehle hinunter. Jeder Schluck betäubt mich ein bisschen mehr. Und ich finde es
schön, nichts mehr zu

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