Irgendwo dazwischen (komplett)
weißt, dass ich schon viele Briefe geschrieben
habe. Sie liegen alle vor mir auf dem Schreibtisch. Keiner von ihnen hat seinen
Weg zu dir gefunden. Und der Grund war jedes Mal derselbe. Meine Feigheit.
Ich wollte dir schreiben, dass es mir Leid tut. Ich wollte, dass
du weißt, dass ich bereue, was ich getan habe. Und mir ist klar, dass eine
einfache Entschuldigung nicht ausreicht. Wie kann man Fehler wieder gutmachen?
Wie geht das? Ich wünschte, ich wüsste es. Ich sollte es schnell lernen, denn
es gibt einige Fehler, für die ich mich entschuldigen muss.
Ich habe dich geliebt. Vielleicht mehr als ich mich selbst geliebt
habe. Und es wäre möglich, dass ich nie aufgehört habe, dich zu lieben. Ich
habe es mir ziemlich erfolgreich vorgespielt, aber ganz tief in mir habe ich es
immer gewusst.
Ich denke, ich kann dir nicht mehr wehgetan haben als mir selbst.
Sich selbst zu hassen ist schlimmer, als jemand anderen zu verachten.
Nach all der Zeit, die wir getrennt sind, schaffe ich es immer
noch nicht, dich aus meinen Gedanken zu verbannen. Glaub mir, ich habe es
wirklich versucht, aber es gelingt mir nicht. Wenn ich mit meinem Freund
schlafe, den ich nebenbei bemerkt nicht liebe, und der mich auch nicht liebt,
dann schließe ich die Augen und denke an dich. Manchmal klappt das. Manchmal
auch nicht. Manchmal sehe ich dich mit einer anderen, und immer wenn das
passiert, hasse ich dich, obwohl es nur eine Fantasie ist. Ein Tagtraum.
Gedanken.
Du warst der einzige Mensch, der mich kannte und trotzdem geliebt
hat. Du hast mich verstanden, mehr noch. Du hast mich durchschaut und meine
sanfte Seite gesehen. Du hast mich nie auf mein Aussehen reduziert und hast
mich nie für dumm gehalten.
Gott, wie ich dich geliebt habe... Für alles, was du bist.
Manchmal denke ich an deine kleinen Marotten, die nur ich kannte. Dauernd hast
du deine benutzen Taschentücher herumliegen lassen. Überall. Und beim
Zähneputzen hast du immer Zahnpasta an den Spiegel gespritzt. Und dein Tick mit
Ohrenstäbchen. Ich kenne niemanden, der gepflegtere Fingernägel hat. Und ich
kann mir keinen launischeren Menschen als dich vorstellen. Und doch, sogar das
habe ich geliebt.
Ich habe jeden an dir gemessen. Du warst die oberste Messlatte,
und alle, die nach dir kamen, sind an dieser Messlatte gescheitert. Eigentlich
hatten sie von Anfang an keine Chance. Vor dir war ich ich . Ich war
nackt, sogar dann, wenn ich angezogen war. Du konntest in mir blättern wie in
einem Buch, und ich konnte in dir lesen. Diese Vertrautheit kenne ich nicht
mehr.
Und vielleicht hast du inzwischen eine wunderschöne, intelligente
Kanadierin gefunden, die nicht so dumm ist wie ich. Eine, die nicht von Angst
zerfressen ist. Eine, die genug Selbstvertrauen hat, um verstehen zu können,
warum du sie liebst. Ich denke, ich konnte das nie. Vielleicht habe ich dich
deswegen verletzt. Weil ich mir sicher war, du würdest eines Tages aufwachen
und merken, dass ich eben doch nur eine kleine Verliebtheit war. Eine Frau für
gewisse Stunden. Eine, die dir haushoch unterlegen ist.
Es gibt keine Entschuldigung. Ich habe es vermasselt. Ich habe
dich und damit auch mich verletzt. Ich habe versucht, dich aus meinem Leben zu
streichen, und alles was ich geschafft habe, war dich und uns zu verdrängen.
Und im Verdrängen bin ich echt gut.
Doch die kleinen und auch größeren Monster meiner Vergangenheit
haben nur geschlafen. Nun sind sie wach. Sie sind so wach, dass ich es kaum
aushalten kann. Und nichts, was ich tue, entspricht dem, was ich fühle.
Es ist, als hätte ich mein Herz und all meine Empfindungen in
einem kleinen Karton eingeschlossen und in meinen Schrank verbannt. Und dort
saß er dann, seit deiner Abreise. Vor ein paar Tagen habe ich ihn herausgeholt.
Und Wunden, von denen ich dachte, sie wären fast verheilt, sind in Wahrheit
noch offen. Sie sind tief und sie tun weh.
Ich kann nicht sagen, ob ich dich noch liebe, oder ob ich nur die
Vorstellung von dir liebe. Ich kann nicht sagen, ob und wie du dich verändert
hast. Ich weiß nicht, ob wir uns noch etwas zu sagen hätten. Aber ich musste
dir schreiben, dass ich uns innerlich nie verraten habe. In mir habe ich uns
zelebriert. Und auf diesem Podest stehen wir noch heute. Auch wenn das außer
mir keiner weiß. Sollte ich diesen Brief jemals abschicken, weißt du es auch.
Und im Moment denke ich, dass ich es tun werde. Doch das heißt gar
nichts.
Solltest du Lust haben, mir zu antworten, würde ich mich
unheimlich
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