Irgendwo dazwischen (komplett)
allein...“
„Hör mir doch mal zu... Es...“
Ich bleibe stehen und schaue ihn an. „Wenn ich es mir recht
überlege, war das keine Bitte…“
Marie
Ich stehe am Gartentor und schaue ihr nach. Diese Situation ist
falsch. Sie gehören zusammen. Und plötzlich verspüre ich ein unbeschreibliches
Bedürfnis, Paul anzurufen. Ich verlasse den Garten und schlendere in die
entgegengesetzte Richtung, in die Lili eben gegangen ist. Nach ein paar Metern
ist es leise genug und ich hole mein Handy aus der Tasche. Ich war noch nie
nervös, wenn ich Paul angerufen habe. Aber dieses Mal zittern meine Hände.
Plötzlich wird mir heiß und ich schwitze. Das darf ja wohl nicht war sein. Ich
kann mich doch unmöglich in Paul verliebt haben. Das gibt es nicht. Nach so
vielen Jahren. Nach so vielen Nächten in einem Bett. Nach so vielen Umarmungen.
Es klingelt. „Hallo?“ Und es ist nicht seine Stimme, die ich höre.
Es ist eine glockenhelle Stimme, ja fast ein wenig piepsig.
„Wer ist da dran?“ Das ist seine Stimme.
„Hallo?“ Ihr Kreischen peitscht mein Trommelfell. Ich bringe
keinen Ton raus.
„Was steht denn auf dem Display?“, höre ich ihn im Hintergrund
fragen. Ich höre sie noch meinen Namen ablesen, dann lege ich auf.
Emma
Kim reicht mir ein Abschminktuch, und ich wische über die
schwarzen Schlieren in meinem Gesicht. Sie streichelt mir über den Rücken, und
zum ersten Mal begreife ich, dass Kim nicht eine von denen ist. „Du weißt, dass
Lili dich nicht so sieht...“, sagt sie und lächelt mich an. „Du bist ihr
wichtig.“
„Ich bin ein Idiot“, sage ich und rücke etwas näher an den
Spiegel. Neue Tränen laufen über mein Gesicht und ziehen die Wimperntusche zäh
mit sich.
„Dann red’ doch einfach mit ihr.“
„Das kann ich nicht.“
„Emma, ich weiß, wir kennen uns nicht wirklich gut und es geht
mich auch nichts an, aber ich denke, dass ihr es beide bereuen werdet, wenn
keine von euch beiden den ersten Schritt macht.“
Durch den Spiegel schaue ich ihr in die Augen. Noch immer
streichelt sie mir über den Rücken. „Du hast recht“, antworte ich schließlich.
„Aber ich weiß nicht, wie ich auf sie zugehen soll. Ich habe keine Ahnung. Ich
weiß nicht, wie man so etwas wieder gut macht.“
„Hat er denn wirklich mit seiner Ex geschlafen?“ Ich nicke. „Ich
dachte, du sagst das nur so.“
„Nein, das hat er... Aber ich hätte es trotzdem nicht sagen sollen.
Ich wusste, dass es ihm nichts bedeutet hat. Diese Nacht mit Giselle, war ein
Ausrutscher...“ Ich schließe die Augen und seufze. „Hätte ich doch einfach den
Mund gehalten“
„Warum hast du es dann gesagt?“
Ich schlage die Augen auf. „Um ihr wehzutun.“
„Manchmal hat man schwache Momente. Die hat jeder. Und Lili hat
sich auch schwach verhalten.“
„Ja, aber ich habe mit diesem einen Satz etwas kaputt gemacht, das
ihr alles bedeutet.“ Ich stütze mich am Waschbecken ab und schüttle den Kopf.
Kim zieht ein weiteres Abschminktuch aus ihrer riesigen Handtasche
und zieht mich vorsichtig vom Waschbecken weg. „Wir können das Problem mit Lili
im Augenblick nicht lösen, aber wir können dein Gesicht wieder in Ordnung
bringen.“
Lili
Ziellos gehe ich die Straße hinunter, bis ich zu einer kleinen
Bank komme. Ich lege mich auf den Rücken, zünde eine Zigarette an und schaue in
die Leere. Ganz entfernt höre ich noch die Musik, das Lachen und das Chaos, das
ich hinter mir gelassen habe. Gedankenfetzen tanzen wirr durch meinen Kopf.
Jetzt hat Emma es doch noch geschafft. Aber andererseits weiß ich nur
ihretwegen, dass Elias mich belogen hat. Leni und die ganze verlogene Bande
hätten ja nichts gesagt. Emma ist selbst als Feindin eine bessere Freundin als
so manche Freunde. Wenn mein Leben ein Film wäre, liefe jetzt ganz
melancholische Musik. Musik, die alles ausdrückt. Vielleicht Anya Marina...
Oder Alex Lloyd. Oder Foy Vance. Oder Gavin DeGraw... Auf jeden Fall wäre die
Musik bedeutsam. Eine samtige Stimme, zarte, traurige Gitarrenklänge,
kombiniert mit dem tiefen Schmerz, den nur eine Akustikgitarre vermitteln kann.
So wie in den ganz dramatischen Momenten von Dawson’s Creek . Momente, in
denen die Seele weint. Keine Sprache kann Trauer besser ausdrücken als Musik.
In solchen Momenten war Emma sonst immer für mich da. Dieses Mal
nicht. Dieses Mal bin ich alleine. Und eigentlich ist das egal, denn sie hätte
mir nicht helfen können. Trotzdem tut es weh zu wissen, dass sie
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