Irgendwo dazwischen (komplett)
nach Lust und Abenteuer, er riecht nach
Verlangen...
Ich öffne die Augen und betrachte ihn... das schummrige Licht des
Mondes reflektiert auf der Wasseroberfläche und erhellt sein Gesicht... er ist
wunderschön... er schaut mich an, und ich frage mich, was er wohl sieht, wenn
er mich ansieht... er hat tiefbraune Augen, große Augen, wache Augen... er
streift über meine Wange und fährt mit dem Daumen über meinen Mund... er hat
ein markantes Gesicht, ein männliches Gesicht… männlich und ebenmäßig. Er hat
volle, weiche Lippen... der Wind zerzaust sein schwarzes Haar... er zieht mich
an sich und schaut mich an. Seine Hände packen meine Hüfte und meine Beine
umschlingen seine Lenden... ich kann nicht mehr klar denken...
Dann wache ich schweißgebadet auf. Ich schaue mich um. Kein Meer,
kein Elias, kein Sternenhimmel. Neben mir liegt Emma und schläft friedlich. Ich
bin froh, dass sie keine Ahnung hat, was ich eben geträumt habe. Nicht einmal
in meinen Träumen lässt Elias mich in Ruhe. Ich rolle mich zur Seite und
versuche, wieder einzuschlafen, um an genau derselben Stelle weiter zu träumen.
Marie
Ich schalte mein Handy ein. Und insgeheim hoffe ich, dass Paul mir
geschrieben hat. Aber das hat er nicht. Wie kann ein Abend bloß das gesamte
Leben umkrempeln? Eben war noch alles normal und plötzlich habe ich Gedanken,
von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie jemals haben könnte. Es ist, als
wäre da eine Marie in mir aufgewacht, die mein bisheriges Leben geschlafen hat.
Tief und fest. Und jetzt ist sie wach. Hellwach.
Ach Paul... was hast du bloß gemacht. Warum kann nicht alles
wieder so sein wie es war? Und warum hast du mich gestern nicht gleich zurück
gerufen? Wieso bist du überhaupt zu dieser blöden Helene gefahren. Ich meine,
gerade liegst du noch auf mir, und dann fährst du zu ihr? Und ja, ich habe
gesagt, dass es okay ist, aber Mensch, du kennst mich doch besser. Du hättest
wissen müssen, dass das gelogen war.
Er wollte zu ihr. Und da liegt das Problem. Ich liege auf meinem
Bett und höre das melancholischste Lied der Geschichte. Na ja vielleicht nicht
ganz. Mysteries von Beth Gibbons. Und genau das ist es. Das mit Paul ist
mysteriös. Fast schon unheimlich. Und das Lied fängt von vorne an. Und das wird
es tun, bis ich diesem Wahnsinn ein Ende setze.
Ich könnte Pascal anrufen. Aber auch darauf habe ich keine Lust.
Ruf mich an. Los. Bitte, ruf mich doch an. Beende meine Qualen.
Es klopft. „Marie?“ Es ist meine Mutter. Was hab ich auch
erwartet? Dass Paul mit einem dicken, fetten Strauß roter Rosen vor der Tür
steht und sagt, Marie, du bist die Eine ? „Marie? Kann ich reinkommen?“
Ach ja, meine Mutter.
„Hm“, raune ich. Sie öffnet die Tür einen Spalt weit und steckt
ihren Kopf ins Zimmer. „Was hörst du denn da?“ Ich antworte nicht. „Etwa wegen
Lili?“
„Nein. Wegen Paul.“
„Was hat er denn gemacht?“
„Das ist kompliziert...“
„Ich mag kompliziert.“
„Du hältst mich für gestört, wenn ich es dir sage, und ich will
nicht, dass du denkst, dass ich gestört bin...“
Langsam kommt sie zu meinem Bett und setzt sich auf die Kante.
„Wenn du es mir nicht sagen willst, ist das in Ordnung, aber du kannst es mir
sagen... Wenn du willst...“
Ich setze mich auf und seufze. „Ich habe mit Paul geschlafen.“ Und
auch wenn sie versucht, nicht schockiert zu schauen, es gelingt ihr nicht.
„Ach so... Ja und warum hast du das getan?“
„Es war nicht das erste Mal...“ Ich hätte nicht gedacht, dass sie
noch entgeisterter schauen könnte, aber sie schafft es. Nach diesem Satz
schafft sie es. Und dieser Ausdruck in ihren Augen lässt mich lächeln.
„Ich dachte...“
„Das ist es ja...“
„Er hat sich mehr erhofft und jetzt ist er furchtbar verletzt,
weil du ihm gestanden hast, dass du nicht auf Männer stehst.“
„Nicht ganz... das habe ich ihm schon vor einem Jahr gesagt. Da
haben wir das erste Mal miteinander geschlafen...“
„Und warum dann noch einmal?“
„Ich kann das nicht richtig erklären... ich wollte es eben. Keine
Ahnung wieso...“
„Und jetzt?“
„Ja, jetzt denke ich immer an ihn und werde nervös, es fehlt nur
noch, dass ich anfange zu stottern... ich meine, das ist doch lächerlich...“
„Warum?“
„Wir reden hier von Paul... und ich bin lesbisch...“
„Na, vielleicht ja doch nicht.“
„Mama, ich hatte noch nie Spaß, wenn ich mit einem Mann geschlafen
habe, aber bei den Frauen war es immer
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