Irische Hochzeit
geblieben.
Jeder, vom ältesten Großvater bis zum jüngsten Knaben, umklammerte eine Waffe seiner Wahl. Etwas weiter hinten standen die Frauen, aber auch sie hielten ihre eigenen Waffen bereit. Bleich und ruhig warteten sie auf das Kommando ihres Anführers.
„Du machst einen Fehler“, flüsterte eine leise Stimme. Sein Cousin Ruarc hatte sein Schwert bereits gezogen und sah aus, als wäre er bereit, jeden Mann, der die Tore durchschritt, aufzuschlitzen. „Sie werden uns alle töten.“
Ruarc trug die blauen Farben des Mac Egan-Stammes und einen von zahllosen Schlachten gezeichneten Holzschild. Wie die anderen, war auch er während des schweren Winters abgemagert. An seinen Schläfen hingen Kriegszöpfe und umrahmten sein bärtiges Gesicht. „Wir sollten mit ihnen kämpfen. Sie hinauswerfen.“
„Wir schlossen einen Handel ab.“
„Wir können immer noch kämpfen. Es sind noch genug von uns da.“
„Nein.“ Es war genug Blut vergossen worden. Ihr Stamm war besiegt worden, und der Preis ihres Lebens war die Kapitulation gewesen. „Ich habe mein Wort gehalten, und ich glaube, auch Thornwyck wird seines halten.“
„Wenn wir sterben, wird es keine große Rolle mehr spielen, was du glaubst“, erwiderte Ruarc. Patrick wandte ihm den Rücken zu. Der blanke Hass im Gesicht seines Cousins würde durch nichts zu beeinflussen sein. Außerdem wollte er sich nicht länger rechtfertigen. Er hatte seine Entscheidung getroffen, und wegen dieser Entscheidung würde sein Volk leben.
In diesem Moment erblickte er einen kleinen Jungen, der sich hinter den Röcken seiner Mutter versteckte. Das Gesicht des unschuldigen Kindes brannte sich ihm ein. Er betrachtete jeden Einzelnen seines Stammes. Früher hatten sie über hundert gezählt – jetzt waren sie alles in allem kaum noch vierzig. Die Schwere des Verlustes überwog alles andere.
Die hölzernen Palisaden um sie herum waren der einzige ihnen noch verbliebene Schutz. Strahlen des Sonnenuntergangs drangen durch die Ritzen der Tore, während langsam der Abend hereinbrach. Es war an der Zeit, sich dem Unvermeidlichen zu stellen.
„Öffnet die Tore“, befahl Patrick.
Zwei Männer öffneten das schwere Eingangstor. Vor dem Tor standen zwei Befehlshaber zu Pferde und die normannische Armee. Alle waren bewaffnet.
Auch wenn Patrick sich bemühte, ruhig zu erscheinen, konnte er die steigende Erregung in seinem Innern kaum meistern. Was, wenn sie das Abkommen brachen und angriffen? Er betete darum, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Die Normannen hielten ihre Waffen bereit. Mit erhobenen Schwertern, die Pfeile an den Bögen, erwarteten sie den Befehl zu töten. Mit kalten Augen würden sie bis zum Tod kämpfen.
Doch als er sich ihnen näherte, sah er die Gesichter der Männer. Sie waren erschöpft und hungrig wie er selbst. Als sie das Leben seiner Leute nahmen, hatten sie nur ihren Anführern gehorcht. Und dennoch war sein Verlangen nach Rache schwer zu unterdrücken: Diese Männer hier hatten seinen ältesten Bruder getötet.
Reue ergriff ihn, als er an Uilliams Tod dachte. Düsternis und Zorn erfüllten ihn, und er gab sich selbst die Schuld. Er hätte rechtzeitig zur Stelle sein und das Schwert des Feindes aufhalten müssen. Doch seine persönliche Rache hatte zu warten.
Patrick winkte einem der Anführer der Normannen, und mit der Hand am Schwert ritt der Mann heran. Wachsam umfasste Patrick seinen eigenen Schwertknauf. „Ich bin Patrick Mac Egan, König von Laochre.“
„Ich bin Sir Anselm Fitzwater“, erwiderte der Normanne. „Lord Thornwyck gab mir das Kommando über diese Männer.“
Sir Anselm nahm weder seinen Helm ab noch löste er die Hand vom Schwert. Die Wangen des Normannen waren glatt rasiert, seine Lippen von einer langen Narbe gezeichnet, die sich bis zu seinem Kinn zog. Er blickte gelassen drein, so, als wäre er daran gewöhnt, dass seine Feinde sich ergaben.
„Die Abmachungen mit Baron Thornwyck wurden erfüllt“, sagte Patrick und übergab ihm die Befehle, die Thornwycks Siegel trugen. „Eure Männer mögen unseren rath betreten.“
„Wo ist Lady Isabel?“, fragte Sir Anselm.
„Sie wohnt auf Ennisleigh. Ihr könnt mich morgen dorthin begleiten und Euch selbst davon überzeugen.“ Etwas schuldbewusst sah Patrick zu der Insel hinüber. Isabel würde hungrig und müde sein. Dabei trug er die Verantwortung für ihr Wohlergehen.
Sir Anselm schüttelte den Kopf. „Ich will sie noch heute Abend sehen, um mich von ihrem
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