Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)
stattdessen jedoch nur noch weiter vor und versuchte den Kopf so zu halten, dass mir die beißenden Dämpfe wenigstens nicht direkt in die Augen stiegen. Es nutzte nicht viel, aber immerhin konnte ich sehen, dass unter mir nicht nur verseuchtes Wasser (oder was auch immer) dahinschoss. Formlose Dinge unterschiedlicher Größe tanzten auf und in der stinkenden Brühe, schienen sich manchmal für Augenblicke an den Rändern des gemauerten Kanals festzuklammern und dann wieder mitgerissen zu werden, und nun sah ich auch, dass die Strömung nicht gleichmäßig war, sondern pulsierend wie im Takt eines gewaltigen, vergifteten Herzens, das tief im Leib der Erde schlug. Der Gedanke war ebenso furchterregend wie absurd, aber er ließ mich auch nicht los.
»Kommen Sie da besser raus, Quinn«, sagte Allison nervös. »Wer weiß, was Sie Ihrer Gesundheit da gerade antun.«
Ich wuchtete die Platte an ihren Platz zurück, stand wortlos auf und ging zusammen mit Nikola zu Allison zurück.
Noch immer so flach atmend, wie es gerade noch ging, drückte ich die Tür zu und legte den Riegel vor, ehe ich es das erste Mal wagte, wieder tief Luft zu holen. Gerade noch war mir die Luft hier drinnen abgestanden und schlecht vorgekommen, aber jetzt erschien sie mir das Köstlichste zu sein, was ich jemals geschmeckt hatte.
»Was für eine Schweinerei war das denn?«, fragte ich inbrünstig.
Ich bekam keine Antwort, und nachdem ich auf ein weiteres Dutzend hämmernder Schläge meines eigenen Herzens gelauscht hatte, drehte ich mich zu ihr um. Allison war genauso bleich geworden wie ich, aber ihre weit aufgerissenen Augen starrten voller Entsetzen in die Dunkelheit auf der anderen Seite des Raumes.
»Allison?«, fragte ich alarmiert. Was sah sie?
Ich tauschte einen fragenden Blick mit Nikola, bekam aber nur ein hilfloses Achselzucken zur Antwort und beeilte mich, zu Allison aufzuschließen.
Trotz der schlechten Lichtverhältnisse hatte sie sich etliche Schritte entfernt und blieb auch nicht stehen, als ich ihren Namen rief, sondern beschleunigte ihre Schritte sogar noch, während sie die klobigen Schatten auf der anderen Seite des Raumes ansteuerte, von denen die unheimlichen stampfenden Laute stammten.
»Allison, so bleiben Sie doch stehen!«, rief nun auch Nikola. »Sie könnten sich verletzen!«
Allison sagte immer noch nichts, sondern ging weiter auf etwas zu, das ich als eine Reihe fast mannshoher Pumpen erkannte, als Nikola seine Lampe in die entsprechende Richtung schwenkte. Vor der ersten der großen, pochenden Maschinen ließ sie sich in die Hocke sinken und streckte die Hand aus. Aber sie führte die Bewegung nicht zu Ende, so als wagte sie es nicht, das Metall zu berühren.
»Allison?«, fragte ich noch einmal, doch sie beachtete mich nicht, sondern starrte die gewaltige Maschine an, die ungerührt weiter vor sich hin wummerte. Mir wurde bewusst, dass ich gar nicht das Dröhnen meiner eigenen Herzschläge in den Ohren hörte, sondern das Wummern und Schnauben der gewaltigen Pumpen, die in vollkommenem Gleichklang arbeiteten und mir schon längst ihren Rhythmus aufgezwungen hatten.
»Allison, was haben Sie?«, fragte ich. Allmählich begann mich ihr sonderbares Benehmen ernsthaft zu beunruhigen. »Reden Sie mit mir!«
Rasch trat ich an ihre Seite, wartete wider besseres Wissen noch einen weiteren (vergeblichen) Moment auf eine Antwort und ließ mich dann auf knackenden Kniegelenken neben ihr in die Hocke sinken.
»Allison?«, fragte ich zum nunmehr vierten Mal. Ich hörte, wie nun auch Nikola näher kam, sah aber nicht einmal zu ihm zurück.
Allison streckte abermals die Hand aus, und diesmal berührte sie die große Pumpe, wenn auch so vorsichtig, als hätte sie Angst, sich an dem vibrierenden Metall zu verbrennen oder davon gebissen zu werden. Diese Vorstellung war völlig übertrieben, aber hier und jetzt und in dieser seltsamen Umgebung und von nichts weiter als dem bläulichen Licht der Rühmkorff-Lampe vor der aus allen Richtungen herandrängenden Dunkelheit beschützt, hatte sie etwas überaus Bedrohliches.
»Das … kann er nicht getan haben«, stammelte Allison. »Er hat es mir versprochen. Er hat mir … versprochen, das … nicht zu tun!«
»Allison?«, fragte Nikola.
Allison ignorierte auch ihn.
»Das hat er nicht getan«, murmelte sie noch einmal. »Nicht Stanley!«
Die Worte galten nicht mir, aber ich antwortete trotzdem darauf. »Von wem sprechen Sie, Allison? Jacobs? Was hat er
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