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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Straße hinaus, sondern wurde auch rasch schneller.
    »Also das ist … wirklich erstaunlich«, sagte ich, angemessen beeindruckt und vielleicht ein ganz kleines bisschen erschrocken. Ich konnte mich nicht erinnern, mich jemals auch nur annähernd so schnell in einem Fahrzeug bewegt zu haben, das nicht auf Schienen fuhr. Und ich hatte den Eindruck, dass der Wagen noch deutlich schneller hätte sein können, wenn sein Fahrer es nur gewollt hätte.
    Eigentlich war ich ganz froh, dass er es nicht wollte.
    Die Fahrt wurde auch so schon immer unangenehmer. Der Regen hatte nicht wirklich zugenommen, aber der Wagen schoss jetzt so schnell über die spiegelnde Straße, dass er eine glitzernde Kielspur hinterließ und die silbernen Schleier durch die offenen Seiten hereingeweht wurden. Wir waren längst alle vollkommen durchnässt, und die Kälte begann unbarmherzig in unsere Körper zu kriechen. Ich musste mich schon sehr bald beherrschen, um nicht mit den Zähnen zu klappern, und auch Allisons Hände zitterten sacht. Am liebsten hätte ich sie in die Arme genommen, um sie zu wärmen, und ich tat es eigentlich nur nicht, weil ich fürchtete, dass sie es falsch verstehen könnte.
    Oder auch richtig, das kam ganz auf den Standpunkt an.
    Es war zweifellos der falsche Moment und erst recht der falsche Ort, und doch zwang ich mich zum ersten Mal ganz bewusst darüber nachzudenken, was Allison Carter für mich eigentlich war, abgesehen von einer Klientin, die einem das Leben wirklich schwer machen konnte.
    Sie war eine entzückende junge Frau, gewitzt, intelligent und schlagfertig und von einer Schönheit, die sich erst auf den zweiten Blick offenbarte und möglicherweise auch im Auge des Betrachters lag, also in meinem, aber welchen Unterschied machte das schon?
    Da war noch viel mehr, Dinge, die ich nicht in Worte fassen konnte und auch gar nicht wollte. Allison verwirrte mich. Sie hatte mir nicht die Wahrheit gesagt (vor dem Wort Lüge schreckte ich immer noch zurück), was mir eigentlich zutiefst zuwider sein sollte, doch es gelang mir einfach nicht, es ihr übel zu nehmen. Nicht so, wie ich es sollte. Mehr noch, mir war vollkommen klar, dass sie mich manipulierte, worüber ich mich aber ebenfalls nur auf einer rein intellektuellen Ebene empören konnte.
    Hatte ich mich in sie verliebt?
    Der Gedanke sollte lächerlich sein. Ich war zu alt für sie. Gewisse Fantasien einem so frischen jungen Ding gegenüber waren ja in Ordnung, solange sie sicher in meinem Kopf eingesperrt blieben (was nichts daran änderte, dass ich mich ihrer ein bisschen schämte), aber was mich wirklich umtrieb, das war etwas ganz anderes. Etwas, das nicht sein sollte.
    Aber es war da, und es machte mir zu schaffen, basta.
    Der Wagen schoss so vehement um eine Kurve, dass Allison auf ihrer Bank das Gleichgewicht verlor und gegen mich prallte. Hastig erkämpfte sie sich ihre Balance zurück, verzichtete aber auch darauf, die Gelegenheit gleich zu nutzen, um ein Stück weiter von mir wegzurutschen, was mich mit einem kurzen, aber intensiven Gefühl von Wärme erfüllte.
    »Verzeihung«, murmelte sie und fuhr sich fahrig mit dem Handrücken übers Gesicht, um das Regenwasser wegzuwischen.
    Was gab es da zu verzeihen? Ich wartete auf die nächste Kurve!
    »Dieses Fahrzeug ist wirklich ganz erstaunlich!«, rief Nikola über das immer lauter werdende seidige Rauschen des Regens hinweg. »Woher haben Sie es, Stanley? Und womit wird es angetrieben?«
    Jacobs zog es vor, die erste Frage nicht zu beantworten. »Mit Elektrizität, Nikola«, sagte er, ohne sich zu ihnen umzudrehen. Ich hoffte, dass er das auch weiter so hielt und sich auf die Straße konzentrierte, statt mit Nikola über irgendwelche technischen Kinkerlitzchen zu schwadronieren, denn der Wagen jagte mittlerweile mit einem Tempo dahin, das an das eines galoppierenden Pferdes grenzte. »Ich bin ein wenig erstaunt, dass Sie es nicht von selbst gemerkt haben. Es ist die einzige Möglichkeit!«
    »Die einzige Möglichkeit?«, wiederholte ich. »Wozu?« Sich auf möglichst spektakuläre Art und Weise umzubringen?
    »Automobile sind die Zukunft, Mister Devlin«, antwortete Jacobs. Zu meiner Bestürzung drehte er nun doch den Kopf und sah mich an. Sein Gesicht glänzte vor Nässe, und ungeschützt, wie er auf dem offenen Kutschbock saß, klebten seine Kleider längst wie eine zweite faltige Haut an ihm. »Sie werden sehen, schon bald werden die Kutschen und Fuhrwerke vollkommen aus dem Stadtbild verschwinden,

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