Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)
und jeder wird ein Automobil haben wollen und auch bekommen. Wie sollte es anders gehen als mit Elektrizität? Etwa mit Petroleum oder Benzin?« Er schüttelte heftig den Kopf, um seine eigene Frage so empört zu beantworten, wie es ihr zukam. »Die Menschen würden einfach ersticken, weil die Luft vom Gestank verbrannter Abgase verpestet wäre! Und wo sollte all dieser Treibstoff auch herkommen? Sie müssten ja ganze Landstriche verwüsten, um Öl aus dem Boden zu pumpen! Nein, so dumm sind nicht einmal die Menschen. Glauben Sie mir, Elektrizität ist die einzige Lösung!«
Und wo sollte all die Elektrizität herkommen?, dachte ich, hütete mich aber, die Frage laut auszusprechen, schon damit Jacobs nicht etwa auf die Idee kam, sie zu beantworten, sondern sich lieber auf die Straße und das Fahren konzentrierte.
Nikola wirkte irritiert, und auf Allisons Gesicht begann sich ein Ausdruck breitzumachen, den ich nicht deuten konnte.
»Und all das aus dem Mund eines Mannes, der angeblich alles tut, um die Stadt zu vergiften?«
Erst als Nikola die Stirn runzelte und Allison mit einem Ruck den Kopf drehte und mich ansah, wurde mir überhaupt klar, dass ich diesen Gedanken laut ausgesprochen hatte. Besonders unangenehm war, dass Jacobs selbst die Bemerkung auch gehört haben musste, denn er antwortete darauf. »Glauben Sie mir, Sie werden alles verstehen, wenn wir da sind.«
»Das will ich hoffen«, murmelte Allison und klammerte sich hastig an der Sitzbank fest, als Jacobs sein bizarres Gefährt so vehement um die nächste Kurve jagte, dass ich befürchtete, wir könnten umkippen.
»Du bist mir eine Erklärung schuldig, mindestens!«, fuhr sie dann fort, als wäre gar nichts geschehen.
Jacobs reagierte nicht, und auch ich schwieg dazu, aber ich tat es wohl auf eine ganz bestimmte Art, sodass Allison sich anscheinend genötigt fühlte, mir einen trotzigen Blick zuzuwerfen. »Ja, und ich Ihnen auch, ich weiß.«
»Ich habe nichts gesagt«, merkte ich an, hätte mir die Feststellung aber lieber gespart, denn nun blitzte echter Zorn in ihren Augen auf, und da Jacobs offensichtlich nicht geneigt war, sich diesem zu stellen, entlud er sich prompt über mir.
»Aber wie Sie es getan haben«, schnaubte sie. »Sagen Sie nicht, Sie wüssten es nicht!«
»Was?«
Allison kam nicht sofort dazu zu antworten, denn Jacobs ließ seine rollende Höllenmaschine noch schneller um die nächste Kurve schießen, und diesmal mussten wir uns alle an unseren Sitzen festklammern, um nicht einfach hinausgeschleudert zu werden. Der Wind pfiff uns nur so um die Ohren.
»Sie gehören zu den Menschen, die eine ganze Menge sagen können, ohne dass ein einziges Wort über ihre Lippen kommt«, behauptete Allison. »Und versuchen Sie erst gar nicht zu behaupten, Sie wüssten das nicht, Quinn!«
Das hatte ich nicht vorgehabt. Ich hatte schon vor langer Zeit begriffen, dass es oftmals das Beste war, gar nichts zu sagen und den anderen einfach reden zu lassen. Ein bisschen unangenehm war mir zwar, dass sie immer noch laut genug sprach, um auch von Nikola und Jacobs verstanden zu werden, aber wenn es ihr nichts ausmachte …
Dann machte es mir etwas aus. Aber daran war nichts zu ändern.
»Das Verhältnis zwischen Stanley und mir ist …«
»Kompliziert?«, schlug ich vor, als sie nicht weitersprach. Ihr Blick huschte kurz über Jacobs’ Rücken und Hinterkopf, ehe sie antwortete. Zu meiner Erleichterung tat sie es auch deutlich leiser. »Sogar noch viel komplizierter, als Sie glauben«, bestätigte sie. »Und vor allem anders.«
Sie warf einen beredten Blick in Nikolas Richtung, und ich verstand. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie gut Nikola sie und ihren angeblichen Onkel kannte, aber von ihrer speziellen Beziehung wusste er offensichtlich nichts, und wie hätte ich das Recht gehabt, etwas daran zu ändern?
Unvermittelt – und ohne sie auch nur anzusehen – sagte Nikola: »Ich weiß Bescheid. Stanley hat mir alles erzählt, und ich habe kein Problem damit.«
Allison möglicherweise schon, dem konsternierten Blick nach zu schließen, mit dem sie ihn maß. »Es ist anders, als Sie es sich jetzt vielleicht vorstellen, meine Herren.«
»Da haben Sie wohl einen wunden Punkt getroffen, Quinn, wie?«, gluckste Jacobs.
Allison sah verletzt aus. »Nein«, sagte sie, presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und wandte sich dann in verändertem – und noch einmal leiserem – Tonfall an mich. »Oder doch, ja. Ich bin nicht
Weitere Kostenlose Bücher