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Irrfahrt durch die Düsterzone

Irrfahrt durch die Düsterzone

Titel: Irrfahrt durch die Düsterzone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Brückenpfeiler, vorbei an den Inseln, auf denen Bäume ihre weißbereiften Äste in die Luft streckten, unter dem staub-düsteren Himmel hinweg, zogen die Pferde den Schrein auf den langgestreckten Hügel zu.
    Einige der Verdammten würden heute noch aus den seltsamen Wurzeltieren ausfahren und in die Körper eingehen. Für kurze Zeit würden sie die Körper mit falschem Leben erfüllen und einen Hauch des wirklichen Lebens fühlen können – bis die Brutkörper vermodert und abgestorben waren.
    Während dieses Vorgangs durfte Necron die ungenießbaren Früchte pflücken.
    Die letzte Insel im Gläsernen Feuchten flog vorbei. Ein Ast kratzte an der Seite des Schreines entlang und hinterließ eine flache Kerbe in der Vielzahl der magischen Linien und farbenfrohen Bilder, die auf den einzelnen Abschnitten prunkten.
    Dann hämmerten die Hufe der Pferde auf eine dünne Eisschicht am Ufer, die auseinandersplitterte. Necron zog am Zügel. Der Schrein schlitterte kristallsprühend auf den Rand zu, die vorderen Kufen wurden auf die Böschung hinaufgerissen, und der Ruck, der Necron packte, schleuderte ihn beinahe vom Kutschbock. Die Pferde zerrten keuchend den Wagen die leichte Böschung hinauf, und dann riß Necron den Handgriff der Bremse zu sich heran.
    » Haaalo! «
    Er entfernte die ledernen Überschuhe von den Hufen, löste die Kufen und befestigte sie wieder, nachdem der Wagen einige Fußbreit höher gezogen worden war. Dann ging es weiter. Zunächst schräg den Hang hinauf, auf die ersten Bäume zu, dann in einer langgezogenen Kurve hinunter in den Etter.
    Ein flacher Talkessel breitete sich vor dem Alleshändler aus.
    Vom hellen Sonnenlicht beschienen und voller Vögel, Insekten und kleiner Tiere, wäre der Garten tatsächlich ein schöner und gepflegter Park gewesen. Hier aber, im ewigen Dämmer, reckten sich die geschweiften, zerrissenen, von augenartigen und geschwulstförmigen Narben übersäten Stämme pechschwarz in die Höhe. Die Äste wirkten wie die Arme von dunkelhäutigen Mumien. Aber sie bewegten ihre Pflanzenfinger, an denen lanzettförmige Blätter raschelten. Stechend gelb, in einer krankhaften Farbe, hingen die Ölkernfrüchte daran. Ihre verschrumpelten Häute sandten einen stechenden Geruch aus.
    Hin und wieder ertönte ein scharfes, reißendes Schmatzen.
    Dann zog sich ein Teil einer Wurzel, die schwache Ähnlichkeit mit einem menschlichen Fuß hatte, aus dem feuchten Boden. Die »Zehen« dieses Fußes waren überlang und endeten in einem Büschel fahlweißer Fasern und Fäden. Als die Bäume merkten, daß sich ein Fremder näherte, fingen sie an, sich sehnsuchtsvoll und in hilfloser Gier zu bewegen. Nein! Es war nicht die Anwesenheit eines Fremden, die jenes Zittern und Beben auslöste – es war das Gefühl, warme, blutvolle und lebende Körper zu spüren!
    Necrons dunkle Stimme schallte durch das Tal.
    »Hier bin ich wieder, Necron, der Alleshändler. Mehr als ein Dutzend schöner Brutkörper habe ich für euch.«
    Als sei ein Sturm in die Zweige und Äste gefahren, schüttelten sich die Gewächse. Der kurze, dunkle Rasen, der die fast identischen Abstände zwischen den dryadischen Pflanzen ausfüllte – gewisse Substanzen der Ölkernfrüchte verhinderten ein zu großes Wachstum – schüttelte sich und warf Wellen. Das Echo von Necrons Stimme zitterte durch den Park. Diese Zone war so groß, daß man fast einen halben Tag brauchte, um zu Fuß zweimal den Radius zu durchmessen.
    Auf einem Weg, der aus feinem weißen Kies bestand und in den Mittelpunkt des Gartens führte, knirschten und rasselten die breiten Bronzefelgen des Schreines. Die körperlosen Geister der Verdammten versuchten, ihre Gastkörper zu bewegen. Aber die Bäume veränderten ihren Standort nur sehr langsam.
    Necron selbst war nicht in Gefahr. Sie würden ihn schlimmstenfalls mit Drohungen kitzeln und versuchen, sich einander zu übervorteilen. Aber gegen beide Versuche besaß der Alleshändler unfehlbare Rezepte.
    Warum die Verdammten hierher verschlagen worden waren – niemand wußte es. Wer ihnen dieses Schicksal auferlegt hatte – vielleicht wußten sie es selbst nicht einmal. Ihre Menge war Necron unbekannt – er schätzte sie auf ungefähr zweieinhalbhundert.
    Aber ihre Probleme – die kannte er.
    Das Gespann hielt am Rand des kleinen Sees. Das Wasser war klar und genießbar. Jedes andere Wesen mied dieses Tal, obwohl die Bäume niemanden angriffen. Die Verdammten waren jetzt, bis auf wenige Ausnahmen, in den

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