Irrfahrt durch die Düsterzone
wandernden Bäumen manifestiert. Bei seinem letzten Besuch hatte Necron dreiundzwanzig Brutkörper mitgebracht. Ein paar von ihnen waren noch nicht abgestorben.
Jetzt kamen sie aus dem Schatten zwischen den Bäumen auf ihn zu. Seltsam stumme Gestalten, von einer Aura der Trostlosigkeit umgeben, hoffnungslos und langsam. Die Körper, in denen sich jene Verdammten manifestiert hatten, besaßen nichts anderes als ein Scheinleben. Einige Monde lang war ein Brutkörper zu gebrauchen, in der Regel, dann löste er sich auf. Aber der einarmige große Abstruse mit dem getigerten Fell, das Zwillingspärchen der heiteren Bizarren und die zwei Caer »lebten« noch. Freilich sahen sie aus wie wandelnde Leichname.
Ihr Verfall war nahe und nicht aufzuhalten.
Necron ließ sich Zeit. Er wußte, wie er vorzugehen hatte. Zuerst schirrte er die Pferde aus und ließ die Tiere frei laufen. Die Verdammten würden es nicht wagen, ein Tier zu übernehmen: sie wußten, daß in diesem Fall Necron niemals wieder ihren Etter betreten würde. Er selbst blieb neben dem Loch stehen, in dem das Magma des Innern brodelte und kochte. Hier bereiteten die wenigen Verdammten, die einen »normalen« Körper vorübergehend besaßen, ihre kargen Mahlzeiten. Auch er würde hier kochen.
Dann kletterte er auf den Kutschbock und rief:
»Ich habe einundzwanzig Brutkörper für euch. Nacheinander werde ich sie aus dem Schrein holen und auf das Gras legen. Wer von euch sich in einem solchen Körper manifestiert – es ist eure Sache. Zwei Tote aus Gorgan sind darunter, alles andere sind Bizarre und Abstruse. Laßt euch Zeit, Freunde… ich habe viele Säcke bei mir, die es zu füllen gilt.«
Die Antwort war Schweigen.
Aber der Getigerte, die Zwillinge und die beiden Caer kamen näher und blieben aufgeregt neben dem Schrein stehen. In die Bäume kam abermals Bewegung. Sie zitterten und rissen die Wurzeln aus dem Boden. Necron wußte, daß sie alles daran setzten, sich aus der Fessel ihres halb pflanzlichen Lebens loszureißen. Sie wollten Körper haben! Bewegliche Körper, die laufen und springen konnten, die miteinander redeten und sich paaren konnten, mit denen sie wenigstens für eine kurze Zeit das halbwegs echte Gefühl genießen konnten, nicht mehr verdammt und nicht mehr an die verwurzelten Bäume gefesselt zu sein. Dafür würden sie buchstäblich alles tun und alles hergeben.
Aber sie hatten nichts.
Nur die Früchte, aus deren Kernen man Öl pressen konnte, das in anderen Bezirken der Düsterzone zur Herstellung magischer Tränke oder Salben gebraucht wurde. Eines wußte Necron überdies mit Gewißheit:
Ein toter Körper, von ihm oder anderen in magische Starre versetzt, so daß er nicht verweste und unbrauchbar wurde, würde von dem Verdammten, der ihn übernahm, bis zum Äußersten gehegt und gepflegt werden.
Der Illusion des echten Lebens, nur vorübergehend und in Körpern, die aus der Todesstarre erweckt worden waren, opferten die Verdammten alle ihre Wünsche und ihre Gefühle. Noch niemals war mit einem toten Körper so behutsam und vorsichtig umgegangen worden. Bis zum letzten Augenblick versuchten die Verdammten, jene Brutkörper auszunutzen. Und wenn sie sich von ihnen trennen mußten, begruben sie die Reste unter umfangreichen Zeremonien. Selbst Necron, der weit gereist war und vieles kannte, vermochte sich nichts Würdevolleres für einen Brutkörper vorzustellen.
Er öffnete das erste Fach des Schreins, zog den regungslosen Körper eines Abstrusen hervor und legte ihn ins Gras. Dann packte er einen schlaffen Sack und lief auf den ersten Baum zu. Das Gewächs schüttelte sich wie in einem hitzigen Fieber. Hunderte der kleinen gelben Früchte ratterten durch die Äste und fielen ins Gras. In großer Eile las Necron die Früchte auf und warf sie in den Sack, der sich rasch füllte.
In der Zeit, die er dazu brauchte, geschahen seltsame Dinge. Für ihn waren sie keineswegs aufregend. Er blickte nicht einmal um sich, als er hinter sich Rascheln und Rauschen hörte.
Die Verdammten schienen sich, wie meist, untereinander auf eine Reihenfolge geeinigt zu haben.
Ein Baum kam schwerfällig und mit schmatzenden Wurzeln auf den pelzigen Körper zu. Die starken Äste neigten sich schüttelnd. Sie packten und griffen nach dem Körper. Kurz darauf umhüllten Ästchen und Blätter den bewegungslosen Abstrusen. Längere Zeit verging, und dann hob der Baum seine Äste wieder in die Höhe und erstarrte.
Dafür bewegte sich, zuerst langsam und
Weitere Kostenlose Bücher