Irrfahrt
der normalen Bewaffnung trug es auf Plattformen, den sogenannten «Wintergärten», vor und hinter dem Turm mehrere Vierlinge, Dieses Fahrzeug hatte Befehl, beim Angrif f der Flugzeuge über Wasser zu bleiben und aus allen seinen Rohren zu feuern. Die anderen Boote sollten tauchen, wenn die Zeit ausreichte, sonst ebenfalls feuern.
Erfahrungen mit solchen Flakfallen gab es bisher nicht, aber der BdU versprach sich wertvolle Ergebnisse davon. Die Besatzung hingegen betrachtete das neue System mit gemischten Gefühlen. Es war nicht gerade angenehm, als Versuchskarnickel für die Seekriegsleitung zu dienen. Im Logis wurden Reden geführt, wie sie Koppelmann in dieser Schärfe vorher nicht gehört hatte. Einige sagten ganz offen, daß sie die Männer auf der Flakfalle für Todeskandidaten hielten.
Der erste Luftangriff erfolgte, als die Boote eine halbe Stunde auf hoher See waren. Ein riesiges Flugboot vom Typ Sunderland stieß auf den Verband herunter. Sofort begannen die kleinen Kanonen zu bellen, und die Sunderland verzog sich schleunigst in die Wolken. Eine Weile brummte sie noch über dem Verband, ohne sich blicken zu lassen. Offenbar genügte ihre Radarbeobachtung, um Stärke und Gliederung der Fahrzeuge auszumachen .. Dann verlor sich das Gebrumm in Richtung Norden. Jeder wußte, daß jetzt Verstärkung herangeholt wurde.
Der zweite Luftangrif f kam vier Stunden später. Diesmal erschienen drei Beaufighter. Ein wildes Feuern setzte auf der Flakfalle und auf dem Sperrbrecher ein. Thieme hatte die Gefahr rechtzeitig erkannt und war «in den Keller» gegangen. Als er wieder auftauchte, war von den Flugzeugen nichts mehr zu sehen.
Thieme ließ halsen und tief zurück. Der Sperrbrecher hatte eine kleine Bombe auf die Schanz bekommen. Da zwei Abteilungen vollgelaufen waren, beschloß der Kommandant, vorsichtshalber nach Lorient zurückzufahren.
Die Flakfalle war das Hauptziel des Angriffs gewesen. Mit Schlagseite lag sie auf dem Wasser. Nachdem die Geschützbedienungen von den Bordwaffen der Beaufighter zusammengeschossen worden waren, mußte das Boot wegtauchen. Mehrere Bomben, die neben ihm einschlugen, hatten schwere Beschädigungen angerichtet. Die Besatzung erlitt hohe Verluste, fast die Hälfte war tot oder verwundet. Von den Offizieren war nur der Bordarzt unversehrt geblieben. Er führte schließlich das angeschlagene Fahrzeug in den Hafen.
Die fünf U-Boote sammelten sich. Lange Signale wurden gewechselt. Sollte man ohne Sperrbrecher weiterlaufen oder in den Hafen zurückkehren? Thieme war natürlich für Weiterlaufen, die anderen Kommandanten für Einlaufen. Über FT kam dann die Entscheidung der Flottille: weiterlaufen, auch ohne Flakschutz. Gehorsam gingen die Boote auf Westkurs.
Thieme blieb die restlichen Stunden des Tages auf der Brücke. Entgegen der Vorschrif t hatte er lediglich zwei Ausguckposten eingeteilt. «Je weniger Männer auf der Brücke sind, desto schneller erfolgt unser Tauchstoß», sagte er zu Helmut Koppelmann.
Noch zweimal mußten sie in den Keller, und jedesmal fielen Bomben, kurz nachdem ihr Boot von der Wasseroberfläche verschwunden war.
Als die Sonne im Meer versank, ließ der Kommandant tauchen und lief in zwanzig Meter Tiefe weiter. Regelmäßig lösten sich die Männer auf den Stationen ab. Manchmal gab es einige Aufregung; die Besatzung brauchte immer erst ein paar Tage, um auf einer neuen Fahrt in den richtigen Törn zu kommen.
Früh am Morgen tauchten sie auf. Thieme blickte angestrengt in die Runde, konnte aber keines der Schwesterboote entdecken. Der führerlose Verband war in alle Winde verstreut. Thieme überlegte, was zu tun sei. Die Batterien würden noch für drei Stunden Unterwasserfahrt reichen. Also aufgetaucht fahren und laden, solange es irgendwie ging.
Die erste Sunderland zeigte sich gegen sieben Uhr. «Der Milchmann kommt!» rief ein Bootsmaat. Niemand lachte. Witze über angreifende Flugzeuge zündeten im Frühjahr 1943 nicht mehr.
Dreißig Minuten später schien die Luft rein. Kaum hatte Thieme seinen Kopf aus dem Turm gesteckt, war der unheimliche Gegner wieder da. Das Boot schaffte es gerade noch.
Eine weitere Stunde liefen sie unter Wasser. Der Leitende Ingenieur schaute bedenklich auf seine Amperemeter. Der Energievorrat in den Batterien ging zu Ende. Thieme ließ auftauchen. Erleichtert stellte er fest, daß der Verfolger abgeschüttelt war.
Die Freude war kurz. Gegen Mittag mußte ein Tauchversuch eingelegt werden. Eine Maschine zog am
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