Irrfahrt
Sprechfunk eines Konvois. Das gab Anhaltspunkte für die Bewegungen der Geleitzüge, von denen immer mehrere gleichzeitig den Atlantik durchpflügten.
Helmut staunte, wieviel Kleinarbeit in die Vorbereitung eines Angriffs einfloß. Die «Harke» war gut angesetzt. Wenn die Meldungen zutrafen, mußte die Kette der Boote direkt auf den Geleitzug stoßen.
Voller Spannung wartete der Oberhai mit seinem Flottillenstab. Aber die Meldungen blieben aus, keines der Boote hatte den Konvoi erfaßt. Erst zwei Tage später, als eine längere Funkstille auf britischer Seite gebrochen wurde, löste sich das Rätsel: Der Konvoi stand weiter nördlich. Er hatte sich aus Luftaufnahmen, Aufklärungsmeldungen und Funkbeobachtung ein Bild von den Plänen des BdU gemacht und war ausgewichen. Den Strategen in Charlottenburg blieb nichts andres übrig, als neue Kombinationen auszutüfteln.
Bei den Azoren stand ein weiterer Konvoi. Er wurde auf fünfunddreißig Fahrzeuge geschätzt, Kurs siebennull Grad, Marschfahrt neun Knoten. Dönitz stöpselte alles um, eine neue LauersteIlung wurde bezogen.
Lebhafter Funkverkehr setzte ein. Die Boote gaben endlose und zum Teil völlig überflüssige Texte durch. Das war Absicht. Der Funkverkehr sollte abgehört, die Aufstellung der Boote erkannt werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde der Kommodore des Geleitzuges versuchen, die Aufstellung zu umgehen. Sein vermutlicher Kurs war in etwa zu berechnen.
Auf diesen Kurs setzte der BdU seine Boote an. «Absolute Funkstille», lautete die Order, «mit Höchstfahrt neue Position einnehmen. Erst Meldung, wenn Geleit erfaßt.»
Diesmal schien es zu klappen. Sieben Boote hingen am Geleit. Dönitz gab den Angriffsbefehl ...
Zu seinem großen Bedauern erlebte Helmut den Ausgang der Schlacht im Stabsraum nicht mehr mit. Der Oberleutnant, dessen Aufgaben er vertretungsweise übernommen hatte, war aus dem Urlaub zurück. Urplötzlich wurde Helmut wieder arbeitslos.
Der Zufall kam ihm zu Hilfe: In der Stadt traf er seinen früheren Kommandanten, Kapitänleutnant Thieme. Dieser hatte inzwischen eine weitere Fahrt gemacht, aber nur drei Einzelfahrer versenkt. Ein vierter, und zwar der entscheidende, war ihm durch die Lappen gegangen. «Noch elftausend Tonnen, und dann ... > Thieme sprach den Satz nicht zu Ende. Das Ritterkreuz zu erwähnen hätte gegen die Offizierssitten verstoßen.
Helmut wußte das. Treuherzig sah er den Kapitänleutnant an und machte eine Handbewegung zur Krawatte.
Thieme lächelte. Dieser kleine Fähnrich war wirklich gelehrig, die Erziehung in Mürwik hatte sich gelohnt.
Koppelmann nutzte die gute Stimmung des Kommandanten und klagte ihm sein Leid. Thieme dachte kurz nach. Für die Brücke fehlte ein Mann. Ein Steuermann lag im Lazarett. Er hatte sich - offenbar nicht ganz ohne Absicht - einen gewaltigen Tripper geholt.
Normalerweise war es nicht üblich, einen Fähnrich dort fahren zu lassen, wo er als Matrose gedient hatte. Thieme setzte seinen Willen durch. Noch am gleichen Abend konnte Helmut einsteigen.
Bootsmann Huhn, die kalte Stummelpfeife zwischen den Zähnen, schlug ihm zur Begrüßung kräftig auf die Schulter. Auch die anderen freuten sich, Koppelmann wiederzusehen. Der alte Haufen war fast vollzählig beisammen. Nur vier Matrosen waren neu hinzugekommen und ein junger, etwas schüchterner Leutnant, der die Stelle des II WO einnahm. Sein Vorgänger war gefallen.
Koppelmann wunderte sich, daß Oberleutnant Berger immer noch als Schüler fuhr; er hätte längst auf einem Kommandantenlehrgang sein müssen. «Krach mit dem Alten», sagte Huhn. «Du kennst ihn ja!»
«Wo ist eigentlich Schwarz?»
«Hat endgültig durchgedreht. Bis zum Äquator sind wir gelaufen, in der Höllenhitze beinahe geröstet und gebraten. Und auf dem Heimweg, in der Biskaya, wurden wir von den Tommys dauernd unter Wasser gedrückt. Das war zuviel für Schwarz ... »
Zwei Tage später liefen sie aus.
Auf höhere Weisung hatte man einen Verband aus fünf Booten gebildet. Sie sollten in Kiellinie fahren und geringen Abstand halten. In den ausgedehnten Minenfeldern vor der Küste war nur eine schmale Fahrstraße frei gehalten, und auch hier mußte ständig gefischt werden. Wer vom Zwangsweg abkam, riskierte einen Minentreffer.
An der Spitze des Verbandes fuhr wieder der Sperrbrecher, den Koppelmann bereits kannte. Seine Flakwaffen hatte man in der Zwischenzeit erheblich verstärkt. Das letzte Boot in der Kolonne war eine «Flakfalle». Statt
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