Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
Vom Netzwerk:
gewaltigen Anpfiff. Besuche auf anderen Booten seien unerwünscht, jedenfalls außerdienstlich. Strengste Anweisung, an die sich jeder zu halten habe.
    Gerber lächelte bitter. Überall wehte jetzt ein viel schärferer Wind - auf dem Atlantik, an den Fronten, auf den Schiffen, in der Heimat. War das der totale Krieg?

 
    12. Kapitel
    Die letzten zehn Sekunden
    Lorient war arg zerstört. Von Mitte Januar bis Mitte Februar 1943 hatte Churchill fast zweitausend Bomber eingesetzt, um den U-Boot-Hafen mit seinen Bunkern zu vernichten. Dabei sank die Innenstadt in Trümmer, viele Einwohner kamen ums Leben, aber die grauen Wölfe in ihren Schlupfwinkeln aus Beton, Stahl und Eisen blieben unversehrt.
    Helmut Koppelmann fluchte auf die Briten. Sie waren schuld, daß es in Lorient kaum noch Gaststätten gab. Er hatte sich fest vorgenommen, nach Gerbers Ratschlägen die französische Küche zu genießen. Das war ihm nun versagt.
    Überhaupt ging zu Anfang alles schief. Der Flottillenchef, ein Korvettenkapitän, hatte ihn einem Boot zugeteilt, das in Kürze einlaufen sollte. Bis das Boot wieder frontfähig und die Besatzung aus dem Urlaub zurückgekehrt war, würden Wochen vergehen. Für einen jungen tatendurstigen Fähnrich bedeutete das zermürbendes Warten.
    Um sich irgendwie zu beschäftigen, las Koppelmann neue Befehle: ständige Befehle, allgemeine Befehle, Sonderbefehle, Flottenbefehle, BdU-Befehle, Flottillenbefehle und sonstige. Er merkte bald, daß sich während seiner Abwesenheit auf taktischem Gebiet einiges verändert hatte.
    Wegen der heftigen Fliegerangriffe bei Tage waren die Boote eine Zeitlang nachts ausgelaufen. Da konstruierten die Engländer einen Superscheinwerfer, den die Flugzeuge einschalteten, sobald sie ein U-Boot mit ihrem Radar geortet hatten. Die Scheinwerfer strahlten ein so grelles Licht aus, daß die U-Kanoniere geblendet waren und nicht zum Schuß kamen. Dieses Teufelsgerät nannten die Engländer «Leigh-Light»; die Lords sagten «Leichenlicht». Viele Boote waren ihm schon zum Opfer gefallen. Dönitz erließ daraufhin eine neue Instruktion: Die Boote sollten in der Nacht getaucht fahren, am Tage ihre Batterien in Überwasserfahrt aufladen und angreifende Flugzeuge durch Bordkanonen abwehren, falls ein Wegtauchen nicht mehr möglich wäre.
    Helmut Koppelmann dachte an die Worte, die der Großadmiral in Mürwik gesprochen hatte: Harte Zeiten werden kommen, aber wir werden siegen! Die harten Zeiten waren bereits da. Das große Sterben hatte begonnen.
    Helmut wartete voller Ungeduld auf sein Boot. Der Flottillenchef beorderte ihn zu sich. Sein Gesicht war ernst. Das Boot hatte sich seit Tagen nicht mehr gemeldet und war überfällig. Die letzte Nachricht stammte von einer Position, die einige hundert Meilen von der Küste entfernt lag. Niemand wußte, was dem Boot zugestoßen war.
    Natürlich entsprach es nicht der Gepflogenheit, einen Angehörigen der Kriegsmarine - gleich, ob jung oder alt, ob Matrose oder Admiral - untätig herumsitzen zu lassen. Also wurde ein ideenreicher Adjutant beauftragt, für den herrenlosen Fähnrich eine passende Beschäftigung zu finden.
    Koppelmann wurde «Schreiber vom Dienst» im Lageraum des Befehlsbunkers. «Das ist eine hohe Auszeichnung für Sie», sagte der Adjutant, «sonst übt ein Ofzier diese Funktion aus.» Koppelmann fühlte sich sehr geschmeichelt.
    Im Befehlsbunker des Chefs liefen alle Drähte zusammen. Das heißt, eigentlich war hier nur eine Nebenstelle. Der U-Boot-Krieg wurde von Dönitz und seiner Operationsabteilung geführt, die sich seit März 1943 in BerlinCharlottenburg befand. Jedoch erhielten die Flottillenchefs lückenlose Berichte, damit sie die strategischen Grundsätze erkennen und nachvollziehen konnten.
    Koppelmann fand diese Berichte außerordentlich interessant. Zwei Aufklärungsgruppen von U-Booten standen im Atlantik und kämmten einen bestimmten Streifen ab. Auf parallelen Kursen fuhren sie durch ihre Planquadrate und suchten Geleitzüge. Wettermeldungen kamen durch, und mit einiger Phantasie konnte man sogar eine richtige Wetterkarte des Nordatlantiks zeichnen.
    V-Männer in der Neuen WeIt berichteten über Zusammenstellung von Geleiten, auslaufende Schiffe, Sicherungsfahrzeuge und Wetter. Ihr Tätigkeitsgebiet erstreckte sich von der Hudsonbai bis nach Argentinien.
    Der Funkdienst horchte durch riesige Antennen in den Äther, fing verstümmelte Funksprüche auf, peilte den Standort ihrer Absender und hörte mitunter sogar den

Weitere Kostenlose Bücher