Irrfahrt
weil die ersten in wilder Hast den Graben erreichten. Auf der staubigen Sohle wälzte sich ein Knäuel von Leibern.
Die Flakbedienungen reinigten gerade ihre Geschütze, als der Tiefangriff erfolgte. Er kam völlig überraschend. Das Ablenkungsmanöver der britischen Bomber war gelungen.
Ein Maschinenmaat war schwer verletzt. Das Geschoß hatte sein linkes Schienbein glatt durchschlagen. Im unnatürlichen Winkel stand der Fuß ab. Der Maat wurde in den Sankra gehoben und zur Sanitätsstelle der Flottille gefahren. Dort jammerte er laut. Er hatte große Angst, seinen Fuß zu verlieren. Tapfer wackelte er mit den Zehen, obwohl ihm jede Bewegung rasende Schmerzen verursachte. Wenn die Zehen beweglich blieben, war eine Amputation vielleicht zu vermeiden.
Der Flottillenarzt sprach weniger von Amputation als von Arrest; der Maat hatte gegen den Befehl verstoßen und nicht rechtzeitig den Splittergraben aufgesucht.
Fünf Wochen befand Gerber sich schon an Bord, als ein neues Besatzungsmitglied bei ihnen einstieg: Matrose Meyer, Steuermannslaufbahn. Das Brückenpersonal überschlug sich fast vor Freude.
Zunächst putzte Matrose Meyer sämtliche Kompasse, führte das Hafenbuch und mußte sorgfältig Wasserstände, Bewölkung und die vorgesehenen Schleusenzeiten eintragen.
«Seeklar!»
Natürlich stellte der Obersteuermann seinen jüngsten Schützling ans Ruder. Man konnte es nicht erwarten, ihm auch diese Arbeit aufzubürden.
Mit «Steuerbord zehn» lief Häfners Fahrzeug in Richtung auf die Schleuseneinfahrt. Schlepper «Hermes» war bereits eingelaufen und lag an der Schleusenwand vertäut. Häfner wollte längsseits gehen, um dann als erster aus der Schleuse zu kommen. Damit erwischte er den besten Ankerplatz dicht unter dem Steilufer der schmalen Rancemündung, wo das Schiff vor Tieffliegern sicher war.
«Recht so! Stütz Ruder!» rief Oberleutnant Häfner, als der Bug genau auf die Schleusenmitte zeigte. Eigentlich war nun am Ruder nichts mehr falsch zu machen.
Angestrengt blickte Matrose Meyer auf die Kompaßrose. Bei «Recht so», das war ihm eingetrichtert worden, sollte er den Kurs weitersteuern, den das Boot im Augenblick des Ruderkommandos lief.
Es gab einen dumpfen Knall. Der Bug des Minensuchbootes 00 prallte schräg an das Heck des kräftigen Schleppers. Meyer hatte eine Ramming zustande gebracht, die alles bisher Dagewesene übertraf. Anschließend gab es eine weit größere Ramming, als der Kommandant der «Hermes», ein Kapitänleutnant, Häfner kommen ließ. Häfner wiederum zählte seinen Obersteuermann ans. Das war gar nichts gegen die Ausdrücke, die der Obersteuermann seinem Gasten an den Kopf warf.
Meyer murmelte etwas von Mißweisung, was wie Mistweisung klang. Daraufhin wurde der Obersteuermann noch wütender. Natürlich war es eine «Mistweisung», bei dem schwierigen Schleusenmanöver ausgerechnet einen unerfahrenen Matrosen ans Ruder zu stellen. Das frisch gepönte Boot wies eine häßliche Beule auf, die auch mit zwei Eimern Spachtelmasse nicht zu verdecken war.
Häfner saß stundenlang in seinem Kommandantenschapp und starrte vor sich hin. Wenn der Flottillenchef von dem Zusammenstoß erfuhr, war er fällig. Doch der Kelch ging noch einmal an ihm vorüber.
Dieses Mal fuhren sie nun wirklich auf Minensuche. Gerber konnte seine Aufregung nur mit Mühe bezwingen. Kaum waren die Fahrzeuge aus der Schleuse gelaufen, wurde an Deck die gewaltige Rabatzboje klargemacht und ins Wasser gelassen.
Kehlhus kommandierte «all hands» auf das Achterdeck. Hier lag ein wirrer Haufen von Bojen, Drahtleinen und armdicken Kabeln, den der Sperrmechaniker betreute. In bestimmter Folge wurden die Teile über Bord geworfen und ordneten sich erstaunlich schnell zu einem großen Kabelkreis. Das Boot nahm seine Fahrt auf; «Räumgerät einschalten!» kam der Befehl von der Brücke. Ein riesiges Gleichstromaggregat begann zu brummen.
Gerber begriff von alledem überhaupt nichts. Schabe ließ sich herab, ihm den Zusammenhang zu erklären. «Wir sind doch neulich Schleife gefahren. Das ganze Schiff ist vollkommen entmagnetisiert. Minen, die nur von Magnetismus gezündet werden, sprechen auf unser Schiff nicht mehr an. Mit den Kabeln erzeugen wir ein besonders kräftiges Magnetfeld, damit diese Minen zur Explosion kommen.»
Gerber verstand nun immerhin so viel: Über die gefährlichen Dinger mußte sein Boot erst hinwegfahren, ehe sie vom jeweiligen Gerät zur Zündung gebracht wurden. Das Gefühl war
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