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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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beugte er sich weit über die Reling und übergab sich.
    Gegen Mitternacht hatte er keinen trockenen Faden mehr am Leibe. Er fror entsetzlich. Ein mitleidiger Matrose wechselte mit ihm den Platz. Heinz stand nun an der Backbordseite, wo selten ein voller Brecher hinkam. Obwohl ihm hundeelend war, hielt er tapfer an der Maschinenkanone aus. Spindler schlug ihm auf die Schulter. «Jetzt bist du dran!» Er durfte für zwei Minuten in die Kombüse und einen Becher heißen Tee trinken. Die Wärme tat ihm gut, aber die nasse Kleidung mußte er anbehalten. Auf der Fahrt war es verboten, die Mannschaftsräume zu betreten.
    Der Sturm ließ ein wenig nach. Dafür wurde es zunehmend kälter. Wie eine riesige schwarze Glocke stülpte sich der Himmel über das Meer. Heinz Apelt stand zähneklappernd auf seinem Platz und starrte in die Finsternis.
    Nach einer Unendlichkeit begann der Morgen zu grauen. Zwei Boote waren aus dem Verband zurückgefallen, befanden sich aber noch in Sichtweite. Es gab einen geharnischten Winkspruch von Kapitänleutnant Kruse, den der Signalgast feixend mitlas. Mit höchster Fahrstufe schlossen die beiden Nachzügler wieder auf.
    Land kam in Sicht: hohe, fast kahle Berge, dann eine geräumige Bucht. La Spezia. Zahlreiche italienische Kreuzer und Zerstörer lagen dort. In der stillen Morgendämmerung boten sie ein friedliches Bild.
    Die Flottille ging am äußersten Teil der Bucht vor Anker. Große Tarnnetze wurden über die Boote gespannt; sogar hier wollte man möglichst nicht auffallen.
    Erschöpf t warfen sich die Männer in ihre Kojen. Eigentlich hätte Apelt Wache stehen müssen, aber Spindler beauftragte den Smutje damit. Jeder konnte sehen, daß der junge Matrose am Ende seiner Kräfte war.
    Heinz Apelt lag wie ein Stein in der unbequemen Hängematte. Seine erste Fahrt auf dem Meer war hart gewesen, doch er hatte durchgehalten. Im Grunde genommen war er froh, daß die «Baedekerreise» nun zu Ende war. Er wollte in den Krieg, wollte sich im Kampf auszeichnen und Offizier werden. Leutnant Harms war der richtige Mann für ihn. Unter dem forschen Kommandanten bestand Aussicht, etwas zu erleben und voranzukommen. Heinz schwor sich, auf der Fähnrichschule mit dem Eisernen Kreuz zu erscheinen. Dort würde er die Freunde wiedersehen, noch in diesem Jahr.
     
    In La Spezia hofften die Männer auf Landgang, auf eine Begegnung mit temperamentvollen italienischen Mädchen. Aber daraus wurde nichts. Gegen Abend verholten die Boote in eine kleine Marinewerft. Arbeiter kamen an Deck und entfernten mit Schneidbrennern die überflüssigen Aufbauten. Man konnte nur staunen, wie, schnell aus den Schleppern wieder Schnellboote wurden.
    Heinz sah die Fahrzeuge zum erstenmal in ihrer Normalform. Allerdings waren sie noch immer braunschwarz. Am nächsten Tag erhielt jeder einen Pinsel und helle Farbe. Unter der sengenden Augustsonne begann ein allgemeines pönen. Heinz, der wenig Übung darin besaß, ließ gleich zu Anfang zwei kleinere Farbkleckse auf die Planken tropfen - eine willkommene Gelegenheit für Bootsmaat Kern, ihn deswegen fertigzumachen.
    Die älteren Dienstgrade hatten sich beizeiten eine günstige Stelle zum Pönen ausgesucht, wo sie aufrecht stehen oder sogar sitzen konnten. Für Apelt blieben die unangenehmsten Stellen. In der Hitze trocknete die Farbe rasch, und bald waren die Boote in ihr gewohntes hellgraues Kleid zurückverwandelt.
    Mit dem Zivildasein war es nun vorbei. Alle mußten jetzt wieder Uniform tragen.
    Motorboote brachten die Besatzungen in einen Schuppen an Land. Der älteste Kommandant, ein Oberleutnant, meldete die Flottille dem Chef. Heinz erschrak beinahe, als «Stillgestanden!» befohlen wurde; wochenlang hatte er kein strammes militärisches Kommando mehr gehört.
    Kapitänleutnant Kruse hielt es für seine Pflicht, die Besatzungen auf das neue Unternehmen einzustimmen. Er sprach viel von den Siegen der Kriegsmarine, weniger von Niederlagen und Verlusten. «Der Flottille stehen kriegsentscheidende Aufgaben bevor», sagte er. «Seite an Seite mit unseren italienischen Verbündeten muß es gelingen, der britischen Mittelmeerflotte schwere Schläge zu versetzen und sie auf ihren Inselstützpunkten zu isolieren. Nur so kann der Nachschub für unsere tapferen Afrikatruppen gesichert und Ägypten erobert werden. Seit Monaten ist bereits eine deutsche Schnellbootflottille hier im Einsatz; sie hat stolze Erfolge errungen. Auch die italienischen Motortorpedoboote haben gezeigt, welchen

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