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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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Zweierfächer aus größerer Entfernung abschießen. Es war durchaus möglich, daß der Tanker nicht ganz so wehrlos dastand, wie es auf den ersten Blick schien. In jüngster Zeit wurden manche schnellen Fahrzeuge mit weitreichenden Geschützen, Asdic- und Radaranlagen und sogar mit Wasserbomben ausgerüstet, fast wie Hilfskreuzer. Also war Vorsicht geboten.
     
    Gegen Mitternacht befand sich das Boot in Schußposition. Trotzdem wartete Thieme noch eine Weile. Um diese Zeit wurden auf allen Fahrzeugen die Posten gewechselt, und kurz nach Mitternacht waren die Männer auf dem Tanker vielleicht wachsamer als eine Stunde später.
    Um null Uhr dreißig konnte der Kommandant seine Ungeduld nicht mehr bezähmen. Längst hatte der Obersteuermann in der Zentrale den Schußwinkel und Vorhalt berechnet. Auch die Aale hatte man aus den Rohren gezogen und nochmals kontrolliert.
    Null Uhr fünfunddreißig wurde der Fächer in Überwasserlage ausgelöst. Fauchend verließen die beiden Torpedos ihre Rohre und nahmen Kurs auf. Erwartungsvolle Stille herrschte auf der Brücke. Der I WO zählte leise: « ... siebzig, achtzig ... " Immer noch nichts. Berger wagte kaum, das Ergebnis zu verkünden: «Fehlschüsse aus Rohr drei und vier.» Thieme war außer sich. «Schweinerei!» schrie er. «Die Berechnungen stimmten doch, ich habe sie selbst nachgeprüft!»
    Dem Ausguckposten kam es vor, als ob der Tanker kleiner geworden wäre. Er sah irgendwie «anders» aus. Obwohl das U-Boot weiterhin seinen Kurs hielt, vergrößerte sich der Abstand zusehends.
    Bald war die Erklärung gefunden: Der Konvoi hatte kurz vor dem Angriff um zwei Strich nach Norden gedreht, der Tanker natürlich auch. Durch diese Schwenkung stand Thieme nun an statt Backbord voraus plötzlich Backbord achteraus vom Tanker. Die Irreführung war geglückt.
    Der Kommandant ließ einen Funkspruch aufsetzen, um die Kursänderung mitzuteilen. Aber noch ehe die Meldung verschlüsselt war, hatte sich ein Geleitfahrzeug dem Boot genähert. Deutlich war in allen Abteilungen ein Kratzen zu hören, als wenn eine Riesenhand mit einer Metallbürste über die Außenhaut fegte. Sonarkontakt!
    Blitzschnell waren die Männer von der Bruckenwache im Boot; sie ließen sich einfach hineinfallen. Die Schnellentlüfter wurden aufgerissen, zischend schoß das Wasser in die Tauchtanks. Bootsmann Schwarz war beim Einsteigen hart auf die Metallgrätings gefallen, ihm blutete heftig die Nase. Keiner hatte Zeit, sich um ihn zu kümmern. Nur schnelles Tauchen konnte sie vor dem anlaufenden Zerstörer retten. Fünfzig Meter Tiefe war befohlen. Die E-Maschinen arbeiteten mit voller Kraft. Erleichtert atmeten die Männer auf, als das Boot ankippte. Wie in einem Fahrstuhl sausten sie nach unten.
    Der Posten am Horchgerät meldete den herankommenden Gegner: «Zerstörer peilt null Grad!» Das Mahlen der Schrauben war jetzt überall zu hören. Dann wurde das Kratzen schwächer und verschwand: Der Zerstörer verlor das Boot aus dem Suchgerät. Er mußte blind anlaufen und seine Wasserbomben nach der letzten Position des U-Bootes werfen.
    Als der Zerstörer über ihnen stand, zeigte der Tiefenmesser fünfundvierzig Meter. Langsam nahmen die Werte zu. Mit «Voll voraus» und «Hart Backbord» versuchte Thieme, sein Boot aus der Gefahrenzone zu manövrieren. Er hatte fünfzehn Sekunden Zeit; dabei konnte er ungefähr einhundert Meter weit kommen.
    Krachend erdröhnten die Detonationen. Das Boot wurde von einer gewaltigen Faust geschüttelt und wie ein Spielzeug durchs Wasser geworfen. Koppelmann glaubte, das Ende sei gekommen. Er hatte sich nicht festgehalten und wurde quer durch den Turm gegen die Bordwand geschleudert. Mühsam rappelte er sich hoch und klaubte seine Hefte zusammen. Der Kommandant stand gelassen da, er zeigte nicht die geringste Aufregung. «Das war aber weit weg", sagte er zu dem ängstlich dreinblickenden Koppelmann.
    Die Meldungen der einzelnen Abteilungen liefen im Turm zusammen. Sie hatten noch einmal Glück gehabt. Zwei Abdichtungen im Bugraum leckten, das war alles.
    Im Horchgerät waren jetzt zahlreiche Schraubengeräusche zu hören: Der Geleitzug lief in geringer Entfernung vorbei. Thieme ging auf Schleichfahrt und hoffte unbemerkt zu entwischen. Doch plötzlich war das Knirschen wieder da. Der Zerstörer hatte das Boot im Ortungsgerät aufgefaßt. Er stoppte noch einmal, wohl um seine Geräte klarzumachen. Dann lief er mit Höchstfahrt an. Das Katze-und-Maus-Spiel hatte begonnen. Wir

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