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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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nur der Mast abgesägt und hinter die Brücke montiert, sondern auch Radar installiert. Das war für die U-Boot-Kommandanten sehr praktisch. Auf diese Weise konnte jeder sehen, ob die Korvette mit einem Radargerät bestückt war oder nicht.
    Die Korvette war harmlos, wie Thieme durch sein Periskop feststellte. In einigen Meilen Entfernung ließ er das Boot wieder auftauchen. Langsam näherte es sich aus der Dunkelheit seinem Gegner.
    Gespannt beobachteten die Männer auf der Brücke, was drüben vor sich ging. Die Korvette zog einen weiten Kreis um den sinkenden Dampfer. Offenbar wollte sie feststellen, ob sich das Unterseeboot noch an der Stelle befand, von der es einen Torpedo gefeuert hatte. Dann blieb sie in der Nähe des Dampfers gestoppt liegen.
    Der Kaleu ließ Rohr zwei nachladen, «das Glücksrohr», wie er es nannte. Er schoß nicht gern aus einem Rohr, das einen Fehlschuß geliefert hatte, jedenfalls nicht, wenn er die Wahl hatte. Wie alle Fahrensleute war Thieme von einem tiefen, fest eingewurzelten Aberglauben erfüllt. Auch das gehörte zur Seefahrt.
    Die beiden Rettungsboote ruderten an die Korvette heran. Im Glas war deutlich zu erkennen, daß die Männer aus dem ersten Boot überstiegen und eine Weile unschlüssig auf dem Achterdeck des Geleitfahrzeuges umherstanden. Plötzlich erloschen die vielen gelben Lämpchen. Offenbar hatte jemand befohlen, sie auszuknipsen.
    Thieme manövrierte sein Boot in eine Position, die querab der Korvette lag, und kroch langsam näher. Das Boot machte gerade so viel Fahrt, daß es nicht aus dem Ruder lief.
    Der Abstand betrug noch achthundert Meter. Es war keine Schwierigkeit, das gestoppte Fahrzeug auf diese Entfernung zu treffen. Ohne Hast, beinahe gelassen, ließ Thieme die Torpedomechaniker ihren Aal fertigmachen. Er wurde ausgestoßen, als das zweite Rettungsboot bei der Korvette anlegte.
    «Sechs ... sieben ... ach!», zählte der I WO. Die Leinen wurden an der Korvette festgemacht. «Zehn ... elf.» Die ersten Männer aus dem Rettungsboot stiegen über. «Dreizehn... vierzehn ... fünfzehn.» Viele Hände griffen zu, um die Besatzung des Dampfers in Sicherheit zu bringen. «Siebzehn... achtzehn.» Die letzten Männer hatten das Boot verlassen, die Leinen wurden losgeworfen. «Zwanzig ... einundzwanzig», zählte Berger. Gleich würde die Korvette wieder Fahrt aufnehmen.
    Doch sie kam nicht mehr dazu. In diesem Augenblick stieg unter dem Schornstein eine Wassersäule steil in die Luft. Volltreffer mitschiffs. Innerhalb weniger Sekunden zerbrach dieses stämmige Schiff, das mit vollem Einsatz die Besatzung der «Bactria» retten wollte. Die Heizölvorräte hatten sich entzündet, eine riesige hellrote Fackel stand an der UntergangssteIle. Niemand würde aus dieser Hölle entrinnen. Das Fehlen eines lächerlich kleinen Gerätes war mehr als hundert Menschen zum Verhängnis geworden.
    «Voll voraus!» befahl Thieme. Schnell wurde noch ein Funkspruch an den BdU abgesetzt. In einer Stunde war Sonnenaufgang. Dann hatte der Geleitzugführer mehrere Fahrzeuge übrig, um sie gegen das U-Boot anzusetzen. Thieme zog es vor, möglichst viel Wasser zwischen sich und beide Untergangsstellen zu bringen. In weitem Bogen wollte er durch Überwasserfahrt versuchen, bis zum Abend wieder an das Geleit heranzukommen.
     
    Vorsichtig wurde beim Kommandanten sondiert, wie es mit einer kleinen Feier stünde. Grund war ja vorhanden. Den gutmütigen Bootsmann Huhn, der mit Thieme schon auf dem vorigen Boot gefahren war, schickte man «auf Horchposten». Der Kommandant bewilligte ein Galamittagessen und ließ einige Flaschen kalt stellen. Zwei Mann wurden abgeteilt, um in der Pantry zu helfen.
    Thieme erschien pünktlich, und gemeinsam wurde an den bei den langen Tischen im Mannschaftsraum getafelt. Die Kombüse lieferte Köstlichkeiten, von deren Existenz niemand an Bord eine Ahnung gehabt hatte: Pasteten mit Kalbsragout, als Hauptgericht «Gänsebraten ohne Knochen». Das Fleisch stammte aus Büchsen mit kyrillischer Aufschrift. Alle staunten, wie das Menü in der knapp einen Quadratmeter großen Kombüse geschafft worden war. Heimlich beglückwünschten sich die Männer zu ihrem geschickten Koch. Dieser war schon vor dem Kriege in seinem Beruf tätig gewesen, also gewissermaßen ein «Aktiver» und kein zweifelhafter, schnell ausgebildeter Hilfskoch.
    Der Kommandant gab sich leutselig und erklärte sogar den Maschinisten mit Hilfe von Bleistift und Papier, wie er den Angriff gefahren

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