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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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Gewohnheit den Kopf ein, wenn sie ein Zimmer betraten, obwohl die «Schotten» mindestens zwei Meter zwanzig lichte Höhe aufwiesen.
    In Mürwik traf sich die Crew wieder, die Ende April 1942 von Dänholm aus in viele Richtungen der Windrose verstreut wurde. Damals noch grüne Matrosen, waren sie nun befahrene Leute. Alle trugen das Abzeichen ihrer Schiffsgattung; einige, von den Kameraden beneidet, sogar das gestreifte Bändchen des EK II. Helmut war der einzige mit dem EK I. Er wurde bestürmt, über den Anlaß dieser besonderen Auszeichnung zu berichten, aber die Worte gingen ihm nur zögernd von den Lippen.
    Die ersten drei Tage waren dienstfrei, eine Art Kurzurlaub, den die angehenden Fähnriche damit verbrachten, Bier zu trinken und ihre Erfahrungen auszutauschen. Vergleiche wurden angestellt zwischen Gammeldampfern und aktiven Kriegsfahrzeugen, Erlebnisse zum besten gegeben mit Freudenmädchen in Frankreich, Holland oder Norwegen und die verschiedenen Typen von Kommandanten, Offizieren und Bootsmaaten durchgehechelt.
    Helmut Koppelmann und Gerhard Gerber beteiligten sich nicht an den Gesprächen. Sie trauerten um ihren Freund. Gerhard starrte auf die gedruckte Anzeige und wollte es dennoch nicht glauben. Mehrmals mußte Helmut den Text des Telegramms wiederholen, das Dr. Apelt erhalten hatte: «Tot bei Tripolis angeschwemmt. Überführung der Gebeine bedauerlicherweise wegen Transportlage unmöglich». Wie Heinz umgekommen war, ließ sich nur erahnen. Ein paar Briefe und Fotos waren die einzigen Gegenstände, die an ihn erinnerten. Der Gründer des Flottenvereins lebte nicht mehr. Und damit wurden alle Pläne hinfällig, die sie gemeinsam für Mürwik geschmiedet hatten.
    Nicht nur Heinz Apelt fehlte, jede Gruppe hatte Tote zu beklagen. Etwa dreißig aus der Kompanie waren verwundet, einige so schwer, daß sie für immer dienstunfähig waren. Zwei Männer von der Crew waren degradiert und einer wegen Feigheit vor dem Feind zur Strafabteilung kommandiert. Sein Name wurde von den Dänholmern nie mehr erwähnt; er galt als «Schandfleck» ihrer Kompanie.
     
    Nach den harten Monaten auf See war Mürwik fast eine Erholung. Die Männer hatten leichten Außendienst. Nur einmal in der Woche standen sie für zwei Stunden auf dem Exerzierplatz. Abwechselnd wurden sie aufgerufen, das Kommando zu übernehmen. Schlif f und Schikanen blieben aus. Hier gab es kein «Tal des Todes», keinen «Alarm Küste zur Übung» und keinen «Manövertod auf dem Rügendamm». Von jetzt ab und für alle Zukunf gab es nur eine Sorte Tod: den wirklichen.
    Gleich beim ersten Appell sprach ein bärbeißiger Korvettenkapitän die Erwartung aus, daß sich alle tauglichen Männer nach Abschluß ihrer Ausbildung zur U-BootWaffe meldeten.
    Begeistert nahmen vier Jungens von der Dänholmer Crew diese Aufforderung an. Sie hatten ein halbes Jahr auf einem Segelschulschif f gedient, eine Menge Seemannschaf t gelernt, aber niemals Pulverdampf gerochen. Über ihren Törn Flensburg- Apenrade - Flensburg waren sie nicht hinausgelangt. Die befahrenen Kameraden verhöhnten die vier Dreimasterspezialisten, nannten sie «Badegäste» und «minderwertige Zeitgenossen». Aber das würde sich bald ändern. Als U-Boot-Fahrer konnten sie beweisen, was wirklich in ihnen steckte.
    Gerhard Gerber wußte wieder einmal nicht, ob er seiner Mittelohrentzündung dankbar sein oder ob er sie verfluchen sollte. Heimlich schielte er auf die ordengeschmückte Brust seines Freundes. Völlig klar, die UBoot-Waffe bot die besten Chancen für Ruhm und Beförderung, aber auch einen ziemlich sicheren Weg, vom Leben zum Tod zu kommen. Gerhard war kein Anhänger des Mythos vom heroischen Sterben. Heinz Apelts Schicksal wollte er nicht erleiden. Er wollte einen Sinn in diesem Krieg sehen und eines Tages den Sieg feiern. Und selbstverständlich wollte er Offizier werden.
    Mit Eifer folgte er den neuen Lehrthemen: Pistole 38, MPi 40, Aufgaben eines Offiziers vom Dienst, Gestaltung einer Unterrichtsstunde. Vor allem aber die geheiligte Marinedienstvorschrift, die Bibel aller Marinebürokraten. Jede Einzelheit war im Text umständlich beschrieben, haarklein erläutert, ausführlich kommentiert und wurde den Zuhörern von einem Oberleutnant der Reserve, im Zivilberuf Lehrer, noch umständlicher und noch ausführlicher dargelegt.
    «Urlaub ist eine Kann-Vorschrift.» Gerber stieß sich an dem schlechten Deutsch, sein Eifer begann nachzulassen. Koppelmann hingegen lernte ganze Abschnitte

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