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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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seine Zustimmung.
    Vom Altafjord brach Vizeadmiral Kummetz mit seinem Flaggschiff, dem schnellen Kreuzer «Hipper», der etwas langsameren «Lützow» und sechs Zerstörern auf.
    Das Wetter am Silvestertag war denkbar schlecht. Ein heftiger Sturm tobte. Nebel, wohin das Auge blickte. Aus dem trüben Dunst tauchten einzelne Frachter auf, verschwanden aber wieder hinter undurchdringlichen Grauschleiern.
    Schützend stellten sich fünf britische Zerstörer und fünf kleinere Kriegsfahrzeuge vor das Geleit. Nach drei Stunden hatte Kummetz zwei gegnerische Kriegsschiffe versenkt und den Zerstörer «Onslow», das Flaggschif der britischen Zerstörerflottille, schwer getroffen. Daraufhin gab der Kommandant des Fühlungshalters U 354 einen optimistischen Funkspruch an die Seekriegsleitung in Berlin durch.
    Doch die Lage änderte sich, als plötzlich die britischen Kreuzer «Jamaica» und «Sheffield» auf dem Plan erschienen. Der Zerstörer «Eckoldt» ging mit der ganzen Besatzung unter, «Hipper» wurde erheblich beschädigt. Während des Gefechtes, das sich ausschließlich zwischen den Kriegsschiffen abspielte, waren die Frachter ungeschoren nach Murmansk entkommen. Kummetz gab den Kampf auf. Das «Unternehmen Regenbogen» war gescheitert.
    Um der Verfolgung zu entgehen, wahrte die Gruppe «Hipper» auf der Rückfahrt absolute Funkstille. Wieder in Alta, war die Funkverbindung wegen Schneetreiben gestört, und so glaubte man in Berlin und im Führerhauptquartier Rastenburg an einen vollen Erfolg der Aktion.
    Der Stein kam ins Rollen durch eine Meldung der britischen Nachrichtenagentur Reuter. Das Jahr 1943 begann nicht gut für Erich Raeder. Hitler tobte. Er bezichtigte die Seekriegsleitung, ihn vorsätzlich getäuscht zu haben.
    In Berlin herrschte eine heillose Verwirrung. Die Drähte nach Alta waren noch immer tot, und Raeder brauchte Tage, bis er sich einen Überblick verschaf t hatte.
    Die Begegnung mit HitIer am 6. Januar in der Wolfsschanze verlief für Raeder höchst unerfreulich. Wütend fegte HitIer alle Schlechtwetter-Entschuldigungen vom Tisch und befahl die AußerdienststeIlung und Demontage der großen Schiffe.
    Raeders Ablösung war beschlossene Sache. Mit einer umfangreichen Denkschrif t versuchte die Seekriegsleitung ihre Flotte zu retten, aber Hitler ließ sich nicht umstimmen. Die bedrohliche Lage an der Stalingrader Front und in Nordafrika erforderte die Mobilisierung aller Reserven.
     
    Offiziell verlautete nichts über diese tiefgreifenden Entscheidungen, doch es gab Kanäle, durch die langsam etwas nach Mürwik sickerte. Natürlich erfuhren die Schüler nichts davon. Sie spürten nur eine zunehmende Unruhe und Gereiztheit bei einigen Ausbildern.
    Die Spannung entlud sich am 30. Januar, dem gepriesenen Tag der «Machtergreifung».
    «Antreten in der Aula!» Ein Maat pfif f den Befehl aus, und zwar außerhalb des normalen Dienstplanes. Das geschah zum erstenmal.
    Nach einer Viertelstunde Wartezeit erschien der Chef. Sein Gesicht war ernst. Ohne Umschweife ergrif f er das Wort: «Der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht hat heute den bisherigen Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral Raeder, auf dessen Wunsch vom Oberkommando entbunden. Als neuer Oberbefehlshaber wurde Admiral Dönitz, unter gleichzeitiger Beförderung zum Großadmiral, eingesetzt. Großadmiral Raeder übernimmt den Posten eines Generalinspekteurs der Kriegsmarine.»
    Dem alten Offizier fiel es schwer, Haltung zu bewahren. Seit 1929 hatte er unter Raeder gedient, ihm Jahr für Jahr seine Schäflein vorgeführt - und plötzlich dieser Wechsel. Die Folgen waren nicht abzusehen. Als Generalinspekteur hatte Raeder faktisch keinen Einfluß mehr. Die Geschicke der Kriegsmarine lagen voll und ganz in den Händen von Dönitz, zumal dieser auch weiterhin Befehlshaber der U-Boot-Waffe blieb.
    Ausgerechnet Dönitz! Wenn es wenigstens Generaladmiral Carls gewesen wäre, der ebenfalls zur Debatte gestanden hatte. Aber HitIer entschied sich natürlich für einen Parteigänger, der ihn vergötterte. Schon deshalb stand die Mehrzahl der älteren Marineoffiziere dem neuen Oberkommandierenden skeptisch gegenüber. Dönitz war in ihren Augen ein Emporkömmling. Seit 1935 hatte er eine sagenhafte Karriere gemacht und verdienstvolle Anwärter auf Beförderung einfach überrundet. Er propagierte offen die enge Verzahnung von Militär und Politik. Mit Parteipolitik aber - so meinten die alten Herren getreu der Devise aus der

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