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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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gewesen.
    Die meisten Schüler brannten darauf, Großadmiral Dönitz zu erleben. Eine Begegnung mit ihm hielten sie für die Krönung ihres militärischen Daseins. Einige hofften, daß er fortblieb. Die Prüfungen waren dann bestimmt leichter.
    Koppelmann wollte den alten Löwen unbedingt sehen. Er hatte schon viel über ihn gehört, allerdings nicht immer Gutes. Die U-Boot-Leute sprachen von ihm wie von einem Zerstörer, der dreihundert Wasserbomben an Bord mitführt. Auch die Horchgeräte des alten Löwen funktionierten ausgezeichnet, besser als auf manchem Großzerstörer.
    Dönitz kam. Begleitet von einem großen Gefolge, schritt er mit gemessenen Bewegungen die Front ab, den Marschallstab in der Hand, seine Augen auf «unendlich» eingestellt, so daß jeder das Gefühl hatte, er habe ihn direkt angesehen.
    Theoretische Prüfungen, gruppenweise. Gerhard wurde über die kurbrandenburgische Flotte ausgefragt. Das überraschte ihn nicht, denn der freundliche Ausbilder hatte schon vor einigen Tagen eine taktvolle Bemerkung fallen lassen. Dönitz schaute herein, hörte sich drei Sätze an, aber das Thema interessierte ihn wohl nicht sonderlich. Er lief wieder ab, zu dem Kapitänleutnant mit dem Bärtchen.
    Feierliche Verkündigung der Ergebnisse in der Aula. Kein Wunder, daß alle bestanden hatten. Die Prüfung war eine Schaustellung. Jeder mußte seine Rolle auswendig lernen. Die schwächsten Kandidaten hatte der Chef kurz vorher abgeschoben, damit sie die Innung nicht blamierten. Sie sollten auf kaltem Wege zum Leutnant befördert werden, auch wenn sie auf den ersehnten Ärmelstreifen ein halbes Jahr länger warten mußten als ihre Kameraden.
    Nun blickten alle erwartungsvoll nach vorn.
    Dönitz erhob sich. «Fähnriche! Heute sind es gerade vier Wochen, seit mir unser Führer und Oberster Befehlshaber der Wehrmacht den Oberbefehl über die Kriegsmarine gegeben hat. Diesem Wechsel sind militärische Operationen vorangegangen, die das Vertrauen unserer Führung zur Flotte schwer beeinträchtigt haben. Es ist unsere Aufgabe, in den kommenden Monaten die Scharte wieder auszuwetzen. Durch Erfolge auf allen Meeren wird meine Kriegsmarine zeigen, daß sie kämpfen und siegen kann.»
    Die Akustik in der Aula war ungünstig, und Dönitz hatte Mühe, mit gepreßter Stimme langsam und deutlich zu sprechen. An einem Mikrophon wäre es leichter für ihn gewesen, aber das besaß man in Mürwik nicht.
    «Unter den gegenwärtigen Bedingungen», fuhr der Großadmiral fort, «können wir mit Überwasserschiffen höchstens in Ausnahmefällen zu größeren Kämpfen auslaufen. Der Schwerpunkt unseres Krieges gegen Großbritannien liegt heute bei den U-Booten. Sie sind nicht nur der erfolgreichste, sondern auch der wichtigste Teil unserer gesamten Flotte. Ich glaube an die Kampfkraf des U-Bootes und habe immer daran geglaubt. Ich halte das U-Boot für ein ausgezeichnetes Angriffsmittel.»
    Ein historischer Überblick folgte, der bis ins Jahr 1914 zurückreichte. Natürlich die U-Boot-Waffe, dachte Gerber, etwas anderes gibt's ja auch nicht. Er langweilte sich, seine Gedanken schweiften ab. Koppelmann hingegen saß weit vorgebeugt auf seinem Stuhl, um kein einziges Wort des hohen Herrn zu versäumen.
    Gerber hörte erst wieder hin, als Dönitz auf die Gegenwart zu sprechen kam.
    «Im Atlantik machen wir heute eine schwierige Phase durch. Im gesamten Monat Januar und auch jetzt im Februar war das Wetter so schlecht, daß Navigation, Auffinden der Geleite und Waffenwirkung erheblich beeinträchtigt wurden. Jeder von euch, der U-Boot gefahren ist, kann das schon ein wenig beurteilen.
    Die Abwehr des Feindes ist hinterhältiger geworden. Unsere Aufstellungen wurden in mehreren Fällen umgangen, die angesetzten Boote stießen ins Leere. Eine immer größere Anzahl von Sicherungsfahrzeugen steht uns gegenüber. Fühlungshalter werden abgedrängt, angreifende Boote durch Langstreckenflugzeuge zum Tauchen gezwungen.»
    Dönitz hütete sich, noch weiter ins Detail zu gehen. Die Lage war nicht nur schwierig, sie war besorgniserregend. Selten hatte es in kurzer Zeit so viele Verluste und Fehlschläge gegeben wie ausgerechnet jetzt, wo er Oberbefehlshaber war. Den jüngsten Offiziersnachwuchs mit nationalsozialistischem Kampfgeist zu erfüllen gehörte zu den dringendsten Aufgaben. Deshalb war er nach Mürwik gekommen.
    «Wir müssen den Kampf unter erschwerten Bedingungen weiterführen», sagte er und ließ seinen Blick über die sauber

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