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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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Beute der Engländer wurden, ließ Reuter die Bodenventile öffnen und die Kriegsflaggen setzen. Deutschlands Stolz versank vor den Augen der überraschten Briten.
    Hier brauchte Gerhard nicht lange zu überlegen. Er hätte als Kommandeur ebenso gehandelt.
     
    Zuerst war es ein Gerücht. Es tauchte auf, doch es verschwand nicht, im Gegensatz zu anderen Gerüchten, von denen es in diesen Zeiten wimmelte. Immer wieder flackerte die Nachricht auf: Bei Stalingrad ist eine ganze Armee eingeschlossen, Luftversorgung unmöglich.
    Die meisten Schüler wollten das nicht glauben, hielten es für eine ausgestreute Lüge des Feindes. Aber das Gerücht blieb hartnäckig, bohrte und fraß sich weiter. Ob vielleicht doch ein Körnchen Wahrheit dahintersteckte?
    Dann kam die Meldung im Rundfunk: Die sechste Armee bestand nicht mehr. Heldenhaf t hatten hundertfünfzigtausend Offiziere und Soldaten für Deutschlands Freiheit gekämpf t bis zur letzten Patrone, bis zum letzten Mann. Eine Schicksalstragödie echt germanischen Ausmaßes. Der «Völkische Beobachter» brachte seitenlang Gefallenenanzeigen. Die Trauermusik legte sich auf die Gemüter. Öffentliche Tanzveranstaltungen wurden ab sofort untersagt. Das Jahr 1943 begann wirklich nicht gut.
    «Wo der deutsche Soldat steht, da steht er, und keine Macht der Welt wird ihn dort wieder vertreiben!» Diesen kernigen Satz des Führers hatte Gerber noch im Ohr. Gleichzeitig erinnerte er sich, was Hansen einmal zu ihm gesagt hatte: «An der Sowjetunion wird Hitler sich die Zähne ausbeißen... » Sollte Hansen etwa recht haben? Das war nun schon die zweite große Schlacht, die im Osten verlorenging.
    Nur wenige Schüler nahmen das Ereignis so schwer wie Gerber. Einleuchtende Begründungen halfen die Niederlage an der Wolga zu erklären: völliges Versagen der Verbündeten, besonders der Ungarn und Italiener; Mängel in der Obersten Heeresführung, in der endlich ausgemistet werden müßte. Bei der Marine hatte Dönitz schon damit begonnen und einige Herren mit ganz dicken Kolbenringen ihres Postens enthoben. Die Säuberungswelle war sogar bis nach Mürwik vorgedrungen. Der Völkerrechtskapitän unterrichtete nicht mehr - aus Altersgründen, wie es hieß. Ohne Aufhebens hatte ihn ein Fahrer samt Gepäck nach Flensburg gebracht.
    Der Chef ging mit sorgenvollem Gesicht umher. Durch den Führungswechsel hatte sich die Kluf t zwischen Raeder-Anhängern und den Gefolgsleuten von Dönitz vertieft. Er mußte unter allen Umständen vermeiden, daß die Schüler in diesen Strudel gerissen wurden. Disziplin war oberstes Gebot.
    In Mürwik war man vollauf mit eigenen Angelegenheiten beschäftigt, vor denen die große Politik verblaßte. Die Proklamierung des «totalen Krieges» im Berliner Sportpalast wurde als notwendige Maßnahme begrüßt, das Heer wieder auf Vordermann und die Rüstung auf volle Touren zu bringen.
    Totaler Krieg! Die Prinzipien hatte Ludendorf f bereits 1935, quasi als Vermächtnis, in einer Schrif t niedergelegt. Auch bei der Marine gab es Anhänger dieser Theorie - allen voran Dönitz. Er wollte schon im Frühjahr 1939 dreihundert U-Boote am Fließband bauen lassen, alle langfristigen Pläne zurückstellen, mit vollem Einsatz den Krieg vorbereiten. Da er jetzt an der Spitze stand, würde er sich bestimmt durchsetzen. Immerhin war es ihm gelungen, Hitler davon zu überzeugen, daß die Kriegsmarine auf schwere Überwassereinheiten nicht völlig verzichten konnte. Die zum Tode verurteilten Schiffe blieben am Leben, sie wurden weder abgewrackt noch abgerüstet.
    Diese jüngste Entwicklung stimmte die meisten Raeder-Anhänger versöhnlich. Offenbar fuhr man mit dem neuen Oberkommandierenden doch nicht so schlecht.
     
    Die Ausbildung nahm ihr Ende. Schon warf die Abschlußbesichtigung ihre Schatten voraus; es wurde fast nur wiederholt, bestimmte Paradeobjekte zeichneten sich ab.
    Viele Ausbilder waren unsicher. Was Raeder sehen und hören wollte, das wußten sie aus langjähriger Erfahrung. Was Dönitz verlangte, das wußte nur einer: der U-BootFahrer.
    Gerhard und Helmut rückten enger zusammen. Sie paukten für die Prüfung wie in alten Zeiten. Helmut lieferte in «astronomischer Navigation» die beste schriftliche Arbeit. Gerhard, der bei seiner Küstenschaukelei von Astro wenig wußte, schrieb nach Helmuts Konzept die Arbeit ab und mogelte einige kleine Rechenfehler ein. Bestanden!
    Ob Dönitz kommen würde?
    Raeder war immer gekommen, er war auch nur Oberbefehlshaber

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