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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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strengen gotischen Lettern gedruckten Buch. Auch die anderen Bücher schwiegen zu diesem Thema. Gerhard notierte die Frage. Er mußte unbedingt mit Dr. Vetter sprechen, der wußte bestimmt mehr.
    Flotte und Stützpunkte verfielen später. Als Preußen für die Soldatenspielerei seines Königs immer mehr Geld brauchte, schlug man die Kolonien in Afrika preiswert los.
    Friedrich der Große, den die Militärs über alles lobten, hatte für den Schiffbau nichts übrig. Holz war ein wichtiger Exportartikel. Er forderte, daß «jedes Stück Holz genutzet und zum wahren höchsten Wert wiederum versilbert werde». Da konnte natürlich keine Flotte gedeihen.
    Immerhin ließ er seine Kriege von der Seemacht Großbritannien finanzieren. Während die Franzosen in lange Kriege verwickelt waren, knöpften ihnen die Briten seelenruhig weite Teile ihres Kolonialbesitzes ab und stiegen zur ersten Überseemacht in der Welt auf. Wohlstand und Welthandel begründete das Inselreich mit dem Blut französischer, preußischer, spanischer und österreichischer Grenadiere.
    Die napoleonische Zeit streifte Gerber nur flüchtig. Britanniens ungebrochene Seeherrschaft, die vergeblichen Landungsvorbereitungen Napoleons, das war ihm schon von früheren Studien bekannt. Außerdem: Der Vergleich mit den unzulänglichen Bemühungen der deutschen Kriegsmarine im Jahre 1940 weckte schmerzliche Erinnerungen. Danach würde in der Prüfung bestimmt niemand fragen, dieses Thema war strenges Tabu.
    Schicksalsjahr 1848. General von Radowitz forderte in der Nationalversammlung den Bau einer Flotte für das künftige deutsche Reich. Helle Begeisterung, Geldsammlungen. Aber das Reich wurde in der Paulskirche zerredet, die Flottenbegeisterung ebbte wieder ab, und 1852 versteigerte ein Schiffsmakler namens Hannibal Fischer die schönen Schiffe.
    Preußen leistete sich eine bescheidene Kriegsflotte, die gegen Dänemark und Österreich Bescheidenes leistete. Einige Jahre vegetierte sie kümmerlich dahin, bis der Norddeutsche Bund gebildet wurde. Der Bundestag beschloß eine erhebliche Flottenverstärkung. Allerdings mußten die großen Panzerschiffe vom Ausland gekauf werden.
    Die neue Marine war noch zu schwach, um im deutschfranzösischen Krieg eine Rolle spielen zu können. Sie blieb auf den Küstenschutz beschränkt. Das Heer machte alles allein und erntete den Lorbeer. Auch nach der Reichsgründung stand die kaiserliche Marine weit hinter den Landstreitkräften zurück. Immerhin wurden die Schiffe nun auf deutschen Werften hergestellt. Die Firma Krupp stieg ins Flottengeschäf t ein.
    An der Spitze der Admiralität standen preußische Generalstäbler.Sie ließen die Matrosen drillen, genau wie die Rekruten des Heeres. Gerber dachte an die sinnlose Schinderei auf Dänholm und wußte nun, woher diese «Tradition» kam.
    Trotz technischer Fehlentwicklungen war die Marine unter General von Stosch 1883 so weit, daß sie den dritten Platz in der Welt einnahm. Deutsche Kriegsschiffe, of t zu Geschwadern zusammengefaßt, dampften nach Übersee und richteten sogenannte «Auslandsstationen» ein. Nicht selten wurde dabei scharf geschossen.
    Unter Stoschs Nachfolger, dem General von Caprivi, sackte die Marine ab. Statt seetüchtiger Fahrzeuge ließ er seine «Küstenschweinchen» bauen, über die sich ganz Europa amüsierte. Staunend betrachtete Gerber in den Flottenatlanten die ungeschickte Anordnung der Geschütztürme und verglich mit den französischen Vorbildern, an die man sich anzulehnen suchte.
    Doch bald kam es anders. Kaiser Wilhelm II. sah die Zukunf t seines Reiches auf dem Wasser. Inzwischen waren, fast über Nacht, aus Handelsniederlassungen und Auslandsstationen deutsche Kolonien geworden, die alle «geschützt» werden mußten.
    Für die Marine begann ein gewaltiger Aufschwttng. Endlich erhielt sie auch eine eigene Spitzenorganisation: Oberkommando, Reichsmarineamt, Marinekabinett. Kreuzer und stark bewaffnete Linienschiffe wurden gebaut. Die Schlachtflotte entstand. In einem Mann wie Tirpitz fand der Kaiser das geeignete Medium, seine ehrgeizigen und kostspieligen Pläne durchzusetzen.
    Natürlich blieb dieser Aufschwung nicht unbemerkt. Die britische Regierung versuchte, den deutschen Flottenbau zu hintertreiben, was ihr trotz verschiedener diplomatischer Schachzüge nicht gelang. Am Vorabend des Weltkrieges verfügte Deutschland über eine beachtliche Schlachtflotte, voran vierzehn moderne Großlinienschiffe, vier Schlachtkreuzer sowie sieben neuere

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