Irrflug
mit einer Handbewegung zu besänftigen. Steinke wurde etwas ruhiger. „Ich habe mir eine Altersversorgung in der Schweiz geschaffen.”, fuhr er fort, „aber nicht in dieser Höhe. Niemals.”
„Aber Tatsache ist doch, dass elf-Komma-nochwas Millionen Euro auf dubiose Weise aus den Büchern verschwunden sind – beziehungsweise von Ihrem Konto”, fiel ihm der Anwalt ins Wort, „eine ganze Menge Geld innerhalb von drei Jahren. Das muss stutzig machen.”
„Da haben Sie Recht”, stimmte Steinke schockiert zu und rang nach Luft.
„Dann kann nur einer in Frage kommen”, warf der Steuerberater ein, „Ihr Finanz-Chef. Der konnte, wie wir wissen, eigenmächtig Geld abheben und transferieren. Das muss sich bei der Bank feststellen lassen.”
Steinke schwieg ein paar Sekunden, dann brach es plötzlich aus ihm heraus: „Dieser Schweinehund, dieser nixnutzige Schweinehund. Der hat mich die Auszahlungsbeleg’ unterschreiben lassen und behauptet, wir bräuchten des Geld für Auslandsgeschäfte.”
„Für Schmiergelder”, stellte der Steuerberater klar, „stimmt’s?”
„Wir verstehen Ihre Aufregung nur zu gut”, versicherte der Steuerberater dann, „aber wir sollten die Zeit nutzen, die Vorgehensweise zu beraten.”
Steinke nickte und wischte sich mit einem Stofftaschentuch den Schweiß von der Stirn und den Speichel aus dem Mundwinkel.
„Wir geh’n in die Offensive”, entschied der Anwalt, „wenn es so ist, dass Sie Ihrem Finanz-Chef blind vertraut haben, dass Sie auf sein Geheiß hin Auszahlungsbelege unterschrieben haben, dann war es doch allein er, der geschwindelt und betrogen hat!”
Der Steuerberater überlegte und stimmte zu: „Was können Sie denn dafür, wenn ein leitender Angestellter, der dazuhin noch Prokura hat, in die Kasse greift?”
Steinke saß regungslos auf seinem Stuhl. Er spürte, wie wieder Leben in seinen angespannten Körper kam. Was die beiden Männer sagten, gefiel ihm.
Der Anwalt munterte ihn weiter auf: „Sie sind der Geschädigte. Sie wurden betrogen, Ihr Unternehmen geschädigt.”
Und der Steuerberater ergänzte: „Vergessen wir die paar Millionen, die Sie selbst zur Seite geschafft haben! Alles hat dieser Rottler sich unter den Nagel gerissen. Ist es nicht so?”
Der Anwalt knüpfte vorsichtig an: „Wie ist dann eigentlich Ihr Anteil an dem verschwundenen Geld in die Schweiz gekommen?”
Steinke zögerte, antwortete dann aber ruhig: „Durch ihn, nur durch ihn. Er hat versprochen, es für mich anonym anzulegen, in Samedan, im Engadin.”
Der Anwalt holte tief Luft und lehnte sich zurück. „Einfach wird das nicht”, stellte er fest, „die Richter werden eine Menge unangenehmer Fragen stellen.”
„Ich hoffe”, hakte der Steuerberater ein, „ich hoffe, dass in Ihren Computern keine sensiblen Daten gespeichert waren.”
Steinke schloss für einen Moment die Augen und schien in sich gekehrt. „Ich auch, Herr Liebermann, ich auch.”
Die Kriminalisten, die sich ums Umfeld des ermordeten Mosbrucker kümmerten, hatten bereits bis zur Mittagszeit interessante Neuigkeiten parat. In dessen Geschäftswagen, einem orangefarbenen VW-Bus, der vor seinem Haus in Bad Boll parkte, entdeckten sie einen Kontoauszug. Linkohr hielt das rechteckige Stück Papier in der Hand, als er zu Häberle ins Büro kam. „Schauen Sie sich das an, Chef”, sagte der Kriminalist, „da haut’s dir’s Blech weg.”
Häberle stand auf und ließ sich den Kontoauszug geben. „Ui”, machte er, als er die Endsumme las. „37.000 Euro in den Miesen”, stellte er fest, „das ist aber für einen kleinen Handwerksmeister eine ganze Menge Knete.”
„Das wär’s auch für einen Kriminalisten”, lächelte Link-ohr und setzte sich an den Besprechungstisch. Auch sein Chef ließ sich wieder in seinen Bürosessel nieder.
„Wir haben aber noch was”, fuhr Linkohr fort, „erstens: Der Mosbrucker ist allein stehend, hat seit zwölf Jahren so einen Elektro-Service-Betrieb, ein Ein-Mann-Betrieb. Sieht nach Bastler aus, macht alles, aber ganz korrekt, wie der Bürgermeister sagt, sei absolut zuverlässig.” Er legte eine Pause ein, und dachte nach, ehe er fortfuhr: „Na ja, wir wissen ja, wie’s in seiner Wohnung aussieht – noch genau so, wie vorgestern Abend. Chaotisch halt.”
„Und was ist zweitens?”, versuchte Häberle das Gespräch wieder in die richtige Richtung zu bringen.
„Zweitens”, griff Linkohr die Frage auf, „haben wir beim flüchtigen Durchsuchen seiner
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