Irrgarten Der Liebe
Gnadenstrom
Unerschöpflicher Werdenskräfte mit Lust,
Der von der Sonne, dem heiligen,
Liebeflammenden Leibe kommt.
Lebensglut-schürender Feuerwein sind die
Goldenen Strahlen der Sonne, und der begnadete,
Betende Trinker taumelt im Herzen begeisterten Tanz,
Ob auch sein Fuß bedächtig hin
Ueber der Erde rauhen Rücken geht,
Denn seine Seele ist auf der Sonne,
Denn seine Seele brennt in den Gluten
Lebenschenkender Güte.
In der seligsten Liebesbrunst brennt sie,
Tanzgewirbelt ein stäubender Funken
In dem riesigen Sonnenfeuer,
Sie, auch sie ein jauchzendes Flackerteilchen
Der großen Liebeslohe, die in die kreisende Dunkelheit
Ihre lebenanfachenden Fackeln reckt.
Metamorphosen
Winterkrank war meine Seele,
Und sie kroch wie eine faule Kröte
Zwischen kalten Steinen.
An den leeren Stunden klebte sie
Wie eine müde Fliege am angelaufenen,
Undurchsichtigen Fensterglas.
Sonst war meine Seele ein Schmetterling,
Ein leichter, feiner, blütenverliebter Schmetterling,
Der sich im Sonnenscheine von weichen Winden
Gerne tragen ließ, wie ein Blumenblatt;
Und er steckte sein Saugrüsselchen gerne in alle Süßigkeit,
Und er berauschte sich gerne am Tausendblumengeist,
Und im offenen, samenstaubduftigen Schoße üppiger,
Buttergelber Rosen schlief er gerne,
Der sorgenlose, leichtsinnige,
Frei schwebende Schmetterling meiner Seele.
Weißt du noch, meine Seele, wie du zum letztenmale
Schmetterling warst?
Das war ein heller, herber Tag,
Hell wie ein braunes Mädchenauge,
In dem der Spott lacht:
»Liebe, – was ist denn das?«
Solch ein Tag wars: Herbstbeginn.
Da flogst du, meine leichtgläubige Seele,
Durch die kalte Helligkeit und suchtest Blüten;
Aber fallende Raschelblätter,
Niederzitternd in zagender Schwäche,
Störten deinen Flug, und du wurdest verzagt
Und frorst in dieser leeren Helle.
Da wurdest du ein kriechendes Thier, meine Seele,
Und du hast dich verkrochen vor dem lieblosen Winter
Und dumpf geschlafen.
Ohne Seele,
Ohne Liebe,
Ohne Rausch und Taumel ging ich
Durch diesen Winter, ein verdrossener Krüppel,
Und sah ich die Sonne, so fragte mein Auge:
»Was soll diese blinde, angelaufene Scheibe?«
Ein einziges, großes Elend war mir dieser Winter.
Da, mitten in der Nacht,
Gestern,
Wachte meine Seele auf, und ich fühlte es hell:
Sie hob Flügel wieder, meine Seele,
Und sie ist wieder Schmetterling.
Und ich weiß: Zwei blaue, leuchtende Blumen
Sucht sie, und nie noch kostete sie solche
Süßigkeit, wie in diesen beiden
Blauen Blumen ist.
Winter
Der alte Säemann geht übers Land;
Sein grauer Sack ist voll und wird nicht leer,
So viele Hampfeln auch die Hand verstreut.
Und alles ist ihm Feld: Wald, Wiese, Berg;
Allüberallhin sät er seine Saat,
Die niemals aufgeht. Schweigend thut er so.
Ich seh ihm zu. Mich überschüttet weiß
Der kalte Segen seiner toten Saat.
Und wie ein Baum, aus dem der Lebenssaft
Sich in die Erde schlug, so steh ich starr
Und fühle innerlichst mich selbst vergehn.
Und Schlaf und Tod ist mir nur noch ein Gott.
Alexandriner
Dort lag der See gewellt, ein blauer Schimmerplan,
Wie weiße Möven drauf manch schneller Segelkahn;
Das Ufer drüben hell, der Himmel drüber klar,
Wie das doch wundersam, gar heilig heiter war!
Es tuschte noch der Herbst mit feiner Künstlerhand
In Sammetbraun und -Rot Wald, Wiese, Berg und Land.
Unendlich weit der Blick, und umrißreinlich, fein,
Fiel Alles, fern und nah, dem satten Auge ein.
Die Zacken des Gebirgs scharf vor dem Himmelsblau,
Ich sah der Schroffen Grat, der Schründe Spalt genau,
Und wenn zur Dämmerzeit der Mondkahn drüber schwamm,
War silberüberblitzt der blaue Höhenkamm.
Der fernsten Dächer Rot, der weitsten Wälder Braun,
Ich sah, wie weit es war, und konnt es nahe schaun,
Selbst kleinster Bäche Band, wie Silber eingestickt
Dem Sammetdunkelrot, hab deutlich ich erblickt.
Und heute. Eingebannt bin ich in kleinem Raum,
Das nahe Dorfgehölz, seh ich als Schleier kaum.
Es fällt ein schneller Schnee, breitflockig, dicht gedrängt,
Und hat in leeres Grau mich drückend eingeengt.
Wo ist der See, der Wald, der blaue Höhenkamm,
Darauf der Silberkahn des halben Mondes schwamm?
Wie bin ich plötzlich arm. Ein König im Exil,
Dem über Nacht vom Haupt die goldene Krone fiel.
Er legt von sich den Prunk, die Pracht, die Macht, den Tand,
Und in sich selbst
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