Irrgarten Der Liebe
überm Meere
Sommermondnacht. Wie mit drängenden Brüsten
Wirst das Meer sich über das dunkle Land;
Nebelgrau saugt Horizont und Küsten;
Lind ein Blinzellicht vom unsichtbaren Strand.
Wie der Schlange Schuppen schillern die breiten Wogen;
Steigen die phosphorglühen Tiefen des Meers empor?
Auf den Wogenkämmen kommt ein Glanz gezogen,
Den die Sonne an die Nacht verlor.
Sonnenaufgang
Rauch über Acker und Moor;
Ueber das ganze Land
Ist, aus Nebeln gerafft,
Riesig ein Netz gespannt.
Wird Leviathan gejagt,
Da er entstiegen dem Meer?
Hui, wie tobt er im Netz,
Schleppt es und schleift es umher.
Sieh! Da blendets im Ost:
Offen der Himmel, es schießt
Goldene Speere der Tag,
Und der Wurm zerfließt.
Hoch seinen goldenen Schild
Ueber den Wolkenwall
Hebt der siegende Tag;
Licht lacht über das All.
Tiefe Stunde
Die Sonne ist gegangen.
Ein letzter roter Schein
Liegt auf den höchsten Gipfeln,
Die glühen wie von Wein.
Die Luft ist voller Bangen.
Auf leicht bewegten Wipfeln
Schlafen die Vögel ein,
Die eben noch aus voller Kehle sangen.
Wie tief ist diese Stunde!
Aus unsichtbarem Munde
Trifft mich ein seltsam Wort:
Gegeben und genommen,
Gegangen und gekommen,
Wo ist dein Hier, dein Dort?
Ein Schweben in der Runde –
Dein Leben geht zu Grunde
Und lebt doch fort und fort.
Nun in den Wipfeln – Ruhe,
Auf allen Gipfeln – Dunkelheit.
Auf thut sich schwarz und weit
Die ungeheure Truhe:
Nacht und Vergessenheit.
Kleine Irrgartengaenge mit Verschiedenen
Fund
Was das doch war? In einem alten
Notizbuch windig hingekritzelt fand ich
Dies schnurrige Versvolk:
»Im gelben Schlafrock mit roten Quasten
Kommt mir entgegen die Kleine mit Würde.
Und sie klappert mit blauen Pantöffelchen,
Die mit Silber und Golde gestickt sind.
Aber trotz dieser höchst kostspieligen
Ausstattung und trotz meines schäbigen
Exterieurs fällt mir um den Hals gleich
Diese seidene Schönheitskönigin.«
Die Verse sind so verzweifelt schlecht,
Daß es mir scheint: das Ding ist echt.
Was es nur war ...?
Alter Glückszettel
Zwischen Hetzen und Hasten,
In Lärmen und Lasten,
Von Zeit zu Zeit
Mag gerne ich rasten
In Nachdenklichkeit.
Fliege, fliege, mein Denken, zurück,
Suche, suche: in heimlichen Ecken
Dämmerbrauner Vergangenheit
Mag wohl von verklungenem Glück
Blinkend ein Blättchen stecken.
Und ich suche in meinem Andenkenkasten.
Zwischen Bändern und Briefen,
Die lange schliefen,
Aus trockenen Blumen und blassen Schleifen
Will ich mir was Liebes greifen.
Da fand einen Zettel ich, bleistiftbeschrieben,
Der hat mir die Wärme ins Herz getrieben.
Was stand denn da?
Von meiner Hand:
I mag Di gern leid'n; Du: Magst Du mi aa?,
In schmächtigen Zügen darunter stand:
Ja.
In Lärm und Last,
In zager Zeit
War mir ein Gast
Aus Glückseligkeit
Dies kleine Ja der Vergangenheit.
Ich freue mich auf morgen
Gell ja, also morgen?..
– »Ja freili, wenn S' aufstehn.«
Aber natürlich werd ich aufstehn!
Punkt sechs wirds klopfen:
»I geh ...!«
Und heraus aus dem Bette
Mit einem Gewaltsprung,
Und hinein in die Kleider
Mit heftiger Begeisterung,
Und hinaus und hinunter
Ans Thor zu dem Mädel,
Und fort, fort, fort,
In den Tag hinein,
In den blühenden Tag,
Zu Zwein, zu Zwein!
Ich freue mich auf morgen.
?
Was eigentlich die Kleine will,
Das mag der Teufel wissen!
Bald guckt sie mich gar glühend an,
Als wär sie hingerissen.
Wovon? Wozu? Ich ahn es nicht;
Der Teufel mag es wissen.
Dann aber wieder macht sie mir
Ein Lärvchen, furchtbar sauer,
Daß mirs durchs ganze Rückenmark
Hinfährt wie kalter Schauer.
Weshalh? Warum? Ich weiß es nicht,
Bin immer gleich beflissen.
Was eigentlich die Kleine will:
Der Teufel mag es wissen.
Wartelohn
Morgenjunge Herrlichkeit,
Hell die Welt und frisch der Wind,
Wartend klopft mein Herz geschwind –:
Eine Minute schon über der Zeit!
Ach, wie oft schon sagt ichs, Kind:
Pünktlichkeit!
Und ich spähe augenweit,
Und ich schaue fast mich blind,
Ist das Mädel nicht gescheidt?
Zehn Minuten schon über der Zeit!
Soll ich eine Ewigkeit
Warten und sehnen!? – Langsam rinnt
Der Minuten Folge, breit
Wie ein Theerstromm. – Zeit, oh Zeit!
Deine Minuten wie Stunden sind! ...
Sieh, da flattert ihr blaues Kleid,
Flattert im Wind!
Alles Warten ist verwunden,
Hat sich Mund auf Mund gefunden,
Blick in Blick sich
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