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Irrgarten Der Liebe

Titel: Irrgarten Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Julius Bierbaum
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überm Meere
    Sommermondnacht. Wie mit drängenden Brüsten
    Wirst das Meer sich über das dunkle Land;
    Nebelgrau saugt Horizont und Küsten;
    Lind ein Blinzellicht vom unsichtbaren Strand.
    Wie der Schlange Schuppen schillern die breiten Wogen;
    Steigen die phosphorglühen Tiefen des Meers empor?
    Auf den Wogenkämmen kommt ein Glanz gezogen,
    Den die Sonne an die Nacht verlor.
     
     
Sonnenaufgang
    Rauch über Acker und Moor;
    Ueber das ganze Land
    Ist, aus Nebeln gerafft,
    Riesig ein Netz gespannt.
     
    Wird Leviathan gejagt,
    Da er entstiegen dem Meer?
    Hui, wie tobt er im Netz,
    Schleppt es und schleift es umher.
     
    Sieh! Da blendets im Ost:
    Offen der Himmel, es schießt
    Goldene Speere der Tag,
    Und der Wurm zerfließt.
     
    Hoch seinen goldenen Schild
    Ueber den Wolkenwall
    Hebt der siegende Tag;
    Licht lacht über das All.
     
     
Tiefe Stunde
    Die Sonne ist gegangen.
    Ein letzter roter Schein
    Liegt auf den höchsten Gipfeln,
    Die glühen wie von Wein.
    Die Luft ist voller Bangen.
    Auf leicht bewegten Wipfeln
    Schlafen die Vögel ein,
    Die eben noch aus voller Kehle sangen.
     
    Wie tief ist diese Stunde!
    Aus unsichtbarem Munde
    Trifft mich ein seltsam Wort:
    Gegeben und genommen,
    Gegangen und gekommen,
    Wo ist dein Hier, dein Dort?
    Ein Schweben in der Runde –
    Dein Leben geht zu Grunde
    Und lebt doch fort und fort.
     
    Nun in den Wipfeln – Ruhe,
    Auf allen Gipfeln – Dunkelheit.
    Auf thut sich schwarz und weit
    Die ungeheure Truhe:
    Nacht und Vergessenheit.
     

Kleine Irrgartengaenge mit Verschiedenen
     
Fund
    Was das doch war? In einem alten
    Notizbuch windig hingekritzelt fand ich
    Dies schnurrige Versvolk:
    »Im gelben Schlafrock mit roten Quasten
    Kommt mir entgegen die Kleine mit Würde.
    Und sie klappert mit blauen Pantöffelchen,
    Die mit Silber und Golde gestickt sind.
    Aber trotz dieser höchst kostspieligen
    Ausstattung und trotz meines schäbigen
    Exterieurs fällt mir um den Hals gleich
    Diese seidene Schönheitskönigin.«
    Die Verse sind so verzweifelt schlecht,
    Daß es mir scheint: das Ding ist echt.
    Was es nur war ...?
     
     
Alter Glückszettel
    Zwischen Hetzen und Hasten,
    In Lärmen und Lasten,
    Von Zeit zu Zeit
    Mag gerne ich rasten
    In Nachdenklichkeit.
     
    Fliege, fliege, mein Denken, zurück,
    Suche, suche: in heimlichen Ecken
    Dämmerbrauner Vergangenheit
    Mag wohl von verklungenem Glück
    Blinkend ein Blättchen stecken.
     
    Und ich suche in meinem Andenkenkasten.
    Zwischen Bändern und Briefen,
    Die lange schliefen,
    Aus trockenen Blumen und blassen Schleifen
    Will ich mir was Liebes greifen.
     
    Da fand einen Zettel ich, bleistiftbeschrieben,
    Der hat mir die Wärme ins Herz getrieben.
    Was stand denn da?
    Von meiner Hand:
    I mag Di gern leid'n; Du: Magst Du mi aa?,
    In schmächtigen Zügen darunter stand:
    Ja.
     
    In Lärm und Last,
    In zager Zeit
    War mir ein Gast
    Aus Glückseligkeit
    Dies kleine Ja der Vergangenheit.
     
     
Ich freue mich auf morgen
    Gell ja, also morgen?..
    – »Ja freili, wenn S' aufstehn.«
    Aber natürlich werd ich aufstehn!
     
    Punkt sechs wirds klopfen:
    »I geh ...!«
    Und heraus aus dem Bette
    Mit einem Gewaltsprung,
    Und hinein in die Kleider
    Mit heftiger Begeisterung,
    Und hinaus und hinunter
    Ans Thor zu dem Mädel,
    Und fort, fort, fort,
    In den Tag hinein,
    In den blühenden Tag,
    Zu Zwein, zu Zwein!
     
    Ich freue mich auf morgen.
     
     
?
    Was eigentlich die Kleine will,
    Das mag der Teufel wissen!
    Bald guckt sie mich gar glühend an,
    Als wär sie hingerissen.
    Wovon? Wozu? Ich ahn es nicht;
    Der Teufel mag es wissen.
    Dann aber wieder macht sie mir
    Ein Lärvchen, furchtbar sauer,
    Daß mirs durchs ganze Rückenmark
    Hinfährt wie kalter Schauer.
    Weshalh? Warum? Ich weiß es nicht,
    Bin immer gleich beflissen.
    Was eigentlich die Kleine will:
    Der Teufel mag es wissen.
     
     
Wartelohn
    Morgenjunge Herrlichkeit,
    Hell die Welt und frisch der Wind,
    Wartend klopft mein Herz geschwind –:
    Eine Minute schon über der Zeit!
    Ach, wie oft schon sagt ichs, Kind:
    Pünktlichkeit!
    Und ich spähe augenweit,
    Und ich schaue fast mich blind,
    Ist das Mädel nicht gescheidt?
    Zehn Minuten schon über der Zeit!
    Soll ich eine Ewigkeit
    Warten und sehnen!? – Langsam rinnt
    Der Minuten Folge, breit
    Wie ein Theerstromm. – Zeit, oh Zeit!
    Deine Minuten wie Stunden sind! ...
    Sieh, da flattert ihr blaues Kleid,
    Flattert im Wind!
    Alles Warten ist verwunden,
    Hat sich Mund auf Mund gefunden,
    Blick in Blick sich

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