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Irrliebe

Irrliebe

Titel: Irrliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Mann über die Chiffreanzeige kennengelernt hatten, musste aus Franziskas Sicht gleichgültig sein, ob dieser Mann ausgerechnet der Ehemann von Dominique Rühl-Brossard war oder ein beliebiger Dritter. Die Aufrichtigkeit der Worte von Franziskas Anzeige unterstellt, konnte es ihr nur darum gehen, den Mann zu finden, dem sie sich hingeben konnte. Umgekehrt ging es dem Mann, der in die Rolle des Pierre Brossard schlüpfte und ein Verhältnis zu Franziska pflegte, wesentlich nur um die Präsentation, dass gerade Pierre Brossard ein außereheliches Verhältnis unterhielt. Denn ganz im Gegensatz zu dem üblichen Verhaltensmuster, dass untreue Ehemänner ihre außerehelichen Beziehungen versteckt hielten und sich in der Öffentlichkeit zurückhielten, zeigte dieser Mann allein schon durch seine gezielt eingesetzte auffallende Sprache, Pierre Brossard sein zu wollen. Ylberi hatte von Anfang an dieses auffällige Verhalten nicht verstanden, das nur dann erklärbar war, wenn Pierre Brossard das Scheitern seiner Ehe mit Dominique Rühl-Brossard und die Offenbarung seines Verhältnisses gleichgültig gewesen wäre. Doch gerade dies stand nach Ylberis Analyse der Persönlichkeit Pierres nicht zu vermuten. Zu Pierre Brossard passte keine leidenschaftliche Liebe, allenfalls eine flüchtige geheime Affäre. Wenn sich also der Mann an Franziskas Seite bewusst gänzlich anders verhielt als sich Pierre Brossard verhalten hätte, wenn es ihm um die Beziehung zu einer anderen Frau gegangen wäre, dann konnte es im Kern nur darum gehen, der Außenwelt vorzuspielen, dass Pierre Brossard eine außereheliche Beziehung unterhielt, die nicht versteckt, sondern umgekehrt sogar entdeckt werden sollte. Ob diese Frau Franziska Bellgardt oder eine andere war, schien unerheblich. Staatsanwalt Ylberi wandelte seine unbestimmte Ahnung zur präzisen These: Franziska Bellgardt war in diesem Schauspiel lediglich Statistin – und als solche ein Zufallsopfer.
    Er ordnete seine Gedanken auf dem Papier, setzte die Akteure schaubildlich in ein Beziehungsgeflecht, wertete seine Ermittlungsergebnisse aus und verweilte schließlich bei der aus seiner Sicht einzigen Frage, die er aus seinem Theorienmodell nicht schlüssig zu beantworten vermochte: Warum hatte der Mann, der in die Figur des Pierre Brossard geschlüpft war, ein rotes Fahrrad benutzt, obwohl Pierre nach Dominiques Angaben keines besaß. Der Staatsanwalt durchdachte die möglichen Antworten: Entweder sagte Dominique die Unwahrheit oder dem Täter war ein Fehler unterlaufen, indem er fahrlässig mit der Benutzung des Fahrrades von den Verhaltensmustern des tatsächlichen Pierre Brossard abwich. Ylberi durchdachte die erste Variante.. Fokussierten sich seine Gedanken immer mehr auf Dominique Rühl-Brossard als treibende Kraft hinter dem ganzen Geschehen, würde sie jedes Verhalten der Doublette des Pierre Brossard als Gewohnheit ihres Mannes bestätigen. Sie hätte die Existenz eines roten Fahrrades bejaht, auch wenn es nie eines gab. Dass sie das nicht tat, löste in Ylberi kurz ein Störgefühl aus, dem er sich aber nicht weiter hingab, weil alle anderen Bausteine zueinander passten und einen ausgefeilten Plan offenbarten, der eindrucksvoll Dominiques überlegenes Handeln und Denken belegte. Ylberi schloss die erste Variante aus.
    Der Staatsanwalt konzentrierte sich auf die zweite Variante, doch die Annahme, dass der Täter einen solchen Fehler begangen haben könnte, passte nicht zu seiner geradezu akribischen Vorgehensweise, mit der er erfolgreich der Feststellung zu entgehen wusste, dass er eben nicht mit Pierre Brossard identisch war. Ylberi war sich sicher, dass der Täter im Schwimmbad seine ganze Perfektion entfaltet und verhindert hatte, dass man ihn über die Fotos hätte identifizieren können. Er hatte es elegant geschafft, nur von hinten und dazu teilweise von Franziska verdeckt abgelichtet zu werden – und zugleich durch die Mitteilung einer falschen E-Mail-Adresse die Versendung des Fotos vermieden. Ylberi war sich sicher, dass hier nichts dem Zufall überlassen war, und er wusste auch, dass ein Täter dieses Profils nicht unüberlegt ein Fahrrad benutzen würde, wenn der von ihm kopierte Pierre Brossard in Wirklichkeit keines besaß. Der Staatsanwalt konzentrierte sich folglich auf die verbleibende dritte Variante: Hatte Daniel die Unwahrheit gesagt?
    Ylberi wollte diese für ihn letzte offene Frage klären, bevor er seine Theorie und die Beweise ihrer Richtigkeit dem zuständigen

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