Irrwege
Rune löste sich von seinen Fingerspitzen,
die Tür verschwand. Ein verdutzt aussehender alter Mann, gekleidet in
mausgraue Gewänder, die Hand zu dem urplötzlich nicht mehr vorhandenen
Türknauf erhoben, starrte blinzelnd ins Zimmer.
»Meiner Treu«, sagte Zifnab. »Was ist aus der
Tür geworden?«
»Was willst du?« fragte Xar herrisch.
»Ist das nicht die Herrentoilette?« Zifnab
schaute sich erwartungsvoll um.
»Wo kommst du her?«
Der alte Zauberer trat über die Schwelle und
schaute suchend in alle Ecken. »Oh, den Gang hinunter. Bei der Topfpalme
rechts. Dritte Tür links. Ich hatte nach einem Zimmer mit Bad gefragt, aber in
der Hauptsaison…«
»Was willst du hier? Bist du mir gefolgt?«
»Ich glaube kaum.« Zifnab schien die Frage
ernsthaft zu überdenken. »Wüßte nicht wieso. Nehmt’s nicht übel, alter Knabe,
aber Ihr seid nicht unbedingt mein Typ. Trotzdem, ich glaube, wir sollten das
Beste daraus machen. Zwei vergessene Koffer an der Gepäckabholung sind wir,
jawohl. Zurückgelassen…«
Der alte Mann schlenderte zu Paithans ›Brunnen‹ hinüber.
Ein entsprechendes Wort, und Xar war den lästigen Kauz ein für allemal los.
Aber der Fürst war hellhörig geworden.
»Was meinst du damit – zurückgelassen?«
»Abgeladen, deponiert.« Zifnab schnitt ein
verdrießliches Gesicht. »Damit uns nichts zustößt. ›Ihr seid hier in
Sicherheit, Sir‹«, äffte er übellaunig. »Bildet sich ein, ich wäre zu alt und
tatterig für eine ordentliche Keilerei.
Ich werd’s dir zeigen, du hyperthyreoidistische
Kröte…«
Er schüttelte aufs Geratewohl die knochige Faust
in die Gegend und wandte sich an Xar. »Mit welcher Ausrede hat Eurer Euch
abgespeist?«
»Abgespeist? Mich? Wer?« Xar spielte mit. »Ich
fürchte, ich verstehe nicht.«
»Nun, Euer Drache. Senil? Wacklig auf den
Beinen? Nur eine Last? Ich – oha, natürlich.« Das gutmütigverschwommene
Gesicht des alten Mannes wirkte plötzlich beunruhigend wach. »Potzblitz!
Wirklich schlau eingefädelt. Lockt Euch her und verschwindet. Und Ihr könnt
ihm nicht folgen.«
Xar zuckte mit den Schultern und wandte ihm den
Rücken zu. Zifnab wußte etwas. Um ihn zum Weiterreden zu ermuntern, sagte er:
»Meinst du Sang-drax?«
»Auf Abarrach seid Ihr zu nahe dran. Kleitus hat
jetzt schon zuviel ausgeplaudert. Könnte noch mehr verraten. Sang-drax ist
besorgt. Macht Euch Pryan schmackhaft, nur hat er nicht mit meinem Drachen
gerechnet. Flugs Pläne ändern. Haplo im Labyrinth gefangen – Ihr hier. Nicht
perfekt, aber besser als nichts. Reißt sich Schiff samt Besatzung unter den
Nagel. Fliegt ins Labyrinth. Tötet Haplo.«
Xar hob die Brauen. »Tot oder lebend, mir ist es
gleich.«
»Stimmt, stimmt.« Der alte Mann überlegte. »Vorausgesetzt,
Sang-drax bringt Euch den Leichnam. Aber das – das wird er ganz bestimmt nicht
tun.«
Xar starrte aus dem Fenster. Lange. Auf das
Schiff im Dschungel. Auf die Armee der Tytanen zwischen ihm und der Freiheit.
»Er wird ihn bringen«, sagte er schließlich.
»Wird er nicht«, entgegnete Zifnab. »Kleine
Wette gefällig?«
»Weshalb nicht? Aus welchem Grund?«
»Um Euch und Haplo daran zu hindern, das
Siebente Tor zu erreichen«, verkündete der Alte triumphierend. »Aha!« Xar
drehte sich zu ihm herum. »Du weißt von dem Siebenten Tor.«
»Auweia.« Zifnab zerrte unglücklich an seinem
Bart. »Das vierte Rennen in Aqueduct. Ein Hengst. Siebentes Tor. Sechs zu eins.
Bevorzugt tiefes Geläuf.«
Xar runzelte die Stirn. Er stellte sich vor den
alten Mann hin, so dicht, daß sein Atem die plusterigen grauen Haarsträhnen
aufstörte. »Du wirst mir antworten. Wenn nicht, kann ich dafür sorgen,
daß die nächsten Minuten sehr unangenehm für dich werden…«
»Ja, ich bin sicher, das könnt Ihr.«
Der vage Ausdruck verschwand aus den Augen des
alten Mannes, dahinter kam ein unaussprechlicher Schmerz zum Vorschein – ein
Schmerz, der Xars Vorstellungsvermögen überstieg.
»Es brächte Euch nichts ein, mich zu quälen.«
Zifnab seufzte. »Ich weiß nicht, wo das Siebente Tor ist. Ich bin nie dort
gewesen. Samahs Plan fand nicht meine Zustimmung, müßt Ihr wissen, ich wollte
die Ausführung verhindern, wenn möglich. Das sagte ich ihm auch. Die
Ratsmitglieder sandten ihre Wachen aus, um mich mit Gewalt herbeizuschaffen.
Sie benötigten meine magischen Kräfte. Ich bin ein Zauberer, ein mächtiger
Zauberer…«
Ein flüchtiges, trauriges Lächeln
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