Irrwege
stehen und wartete geduldig auf den richtigen
Zeitpunkt. Zu viele in Hughs Gewerbe, aus Furcht oder Nervosität oder
Übereifer, attackierten impulsiv, statt zu warten, zu beobachten, sich geistig
und körperlich auf den perfekten Moment vorzubereiten, der immer kam.
Und wenn er kam, mußte man ihn erkennen und sofort handeln. Es war diese
unerschütterliche Selbstbeherrschung, das Gespür für den einzig richtigen
Augenblick und die Fähigkeit, dann blitzschnell zu reagieren, die Hugh Mordhand
zu einem Großen seines Fachs gemacht hatte.
Er wartete also und hatte Muße, darüber
nachzudenken, wie ausgezeichnet der Dolch sich seiner Hand angepaßt hatte.
Kein Schmied wäre imstande gewesen, bessere Arbeit zu leisten, fast als wäre
die Waffe Teil seines Arms.
Dann kam der Moment.
Limbeck und Jarre schickten sich an, die Treppe
hinunterzugehen, als plötzlich der Chefmechaniker stehenblieb. Haplo beugte
sich vor und sprach zu ihm. Hugh konnte nicht verstehen, was er sagte, noch kümmerte
es ihn. Schließlich gingen die Zwerge weiter.
»Ich wünschte«, murmelte Hugh vor sich hin, »der
verfluchte Hund würde auch abhauen.«
Schon kläffte der Hund vergnügt und jagte los.
Hugh Mordhand war überrascht von der prompten Erfüllung
seines Wunsches und machte sich ebenso prompt die Gelegenheit zunutze. Auf
Zehenspitzen schob er sich näher. Die Hand mit dem Dolch kam aus den Falten der
Tunika hervor.
Daß Haplo plötzlich aufmerksam wurde,
überraschte ihn nicht, der Assassine hatte einen gesunden Respekt vor seinem
Gegner. Bei jedem Schritt, den er sich näherte, rechnete er damit, daß die
verräterischen Runen aufflammten; dann konnte er sich nur noch ganz still
verhalten und hoffen, daß die magischen Eigenschaften seiner Kleidung ihn davor
bewahrten, entdeckt zu werden.
Aber die Runen blieben dunkel. Kein blauer Lichtschimmer
warnte vor der Annäherung eines Feindes. Das schien Haplo zu beunruhigen, der
eine Gefahr ahnte und sich wunderte, daß seine Tätowierungen diese Ahnung nicht
bestätigten.
Hugh Mordhand begriff sofort, daß er seinen
Kontrakt würde erfüllen können, daß seine Magie den Patryn im Stich ließ, daß
der Dolch sie wirkungslos machte.
Aber dies war nicht der geeignete Augenblick. Zu
viele Zeugen. Und die Zeremonie wurde gestört. Die Kenkari waren höchst
präzise gewesen in ihren Anweisungen – unter keinen Umständen durfte die
Inbetriebnahme des Allüberalls unterbrochen oder verhindert werden. Dies war
nur eine Generalprobe gewesen. Er wußte jetzt, daß er sich auf die Waffe
verlassen konnte.
Bedauerlich nur, daß er Haplos Mißtrauen geweckt
hatte. Der Patryn würde auf der Hut sein, aber das war nicht unbedingt ein
Nachteil. Ein Mann, der über die Schulter blickt, ist ein Mann, der stolpert
und auf die Nase fällt – ein vielzitierter Spruch der Bruderschaft. Hugh
Mordhand plante keineswegs, sein Opfer aus dem Hinterhalt zu erledigen. Sein
Kontrakt enthielt die Bedingung – auch was das betraf, waren die Kenkari sehr
präzise gewesen –, daß er Haplo, bevor er starb, den Namen des Mannes nannte,
der seinen Tod wünschte.
Der Assassine beobachtete aus den Schatten die
Prozession. Als der letzte Elfenfürst die Treppe hinunter verschwunden war,
folgte er, ungehört, ungesehen. Die Gelegenheit würde kommen; eine Gelegenheit,
wenn Haplo von der Menge getrennt war, allein. Dann…
Hugh Mordhand brauchte nichts weiter zu tun, als
zu warten und sich bereitzuhalten.
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Kapitel 14
Wombe,
Drevlin,
Arianus
»Seht doch!« rief Limbeck und blieb so plötzlich
stehen, daß einige der Honoratioren in ihn hineinliefen. »Da ist mein Strumpf!«
Die unterirdischen Gänge waren düster und unheimlich,
das einzige Licht stammte von den bläulich schimmernden Runen am Fuß der Wand.
Diese Runen führten die Festgesellschaft zu ihrem Bestimmungsort – hofften
wenigstens die meisten sehnsüchtig, auch wenn man zunehmend ernste Zweifel zu
hegen begann. Niemand hatte Fackeln oder Lampen mitgebracht, wegen Limbecks
Versicherung, die Gänge wären ausreichend erleuchtet. (Waren sie auch, für
einen Zwerg.)
Seit dem Verschwinden der Drachenschlangen war
der Pesthauch des Bösen, der wie Verwesungsgeruch die Stollen durchzogen hatte,
nicht mehr zu spüren. Geblieben war eine bedrückende Atmosphäre der Traurigkeit:
Reue über begangene Fehler; Bedauern, daß es keine Zukunft gegeben hatte, um
sie zu korrigieren. Es war, als schritten
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