Irrwege
stieg ihr in die Wangen.
Stephen runzelte die Stirn. »Nein, den Ahnen sei
Dank. Wie auch. Was sollte er dort? Außer, er hat einen weiteren Kontrakt…«
Iridals Röte vertiefte sich. »Die Kenkari…« Sie
biß sich auf die Lippen und verstummte.
»Wen soll er ermorden?« fragte Stephen grimmig.
»Mich oder Rees’ahn?«
»Nein – bitte, ein – Mißverständnis.« Sie hob
abwehrend die Hand. »Sagt nichts…«
Nach einer hastigen Verbeugung zog sie sich die
Kapuze tief ins Gesicht, drehte sich um und ging zu ihrem Drachen zurück. Das
riesige Geschöpf spreizte sich genießerisch in dem lauen Wasserschauer und
zeigte keine Neigung, seiner Reiterin zuliebe das Vergnügen abzukürzen.
Iridal legte ihm die Hand auf den Nacken und brachte ihn mit einem beruhigenden
Singsang wieder unter ihren magischen Bann. Der Drache wiegte verzückt das
mächtige Haupt und erhob sich endlich mit peitschenden Schwingen in die Luft.
Stephen beeilte sich, zu seinem Zelt zu flüchten,
bevor Iridal noch etwas einfiel und sie umkehrte. Dort angekommen, wollte er
die Wachen informieren, daß er nicht gestört zu werden wünschte. Er hätte schon
gerne etwas über das Tun und Treiben des Assassinen erfahren, aber nicht von
ihr. Nein, Trian konnte sich damit befassen, wenn er von Drevlin zurückkehrte.
Insgesamt gesehen, war Stephen froh, mit Iridal
gesprochen zu haben. Da nun der Elfenkaiser aus dem Weg war, hatte Prinz
Rees’ahn die Möglichkeit, den Thron zu besteigen und Frieden zu schaffen. Die
Mysteriarchen, hoffte Stephen, würden so von der Magie der Kenkari fasziniert
sein, daß sie ihn in Ruhe ließen. Und was die Sache mit Hugh Mordhand anging,
hatten die Kenkari sich den Assassinen vielleicht vom Hals schaffen wollen und
ihm einen Auftrag beschert, bei dem er den Tod im Mahlstrom fand.
»Typisch für die Spitzohren, sich so etwas
Heimtückisches einfallen zu lassen!« brummte Stephen in seinen Bart. Als ihm
zu Bewußtsein kam, was er gesagt hatte, schaute er sich hastig nach allen
Seiten um, ob auch keiner in der Nähe war.
Ja, Vorurteile waren nicht so leicht
auszurotten.
Auf dem Weg zum Zelt nahm er seine Börse und
schüttete sämtliche Baris in eine Pfütze.
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Kapitel 16
Wombe,
Drevlin,
Arianus
Der Hund hatte Langeweile. Nicht bloß Langeweile,
auch Hunger.
Der Hund gab seinem Herrn keine Schuld an diesem
Stand der Dinge. Haplo war noch nicht wieder ganz gesund. Die tiefe Wunde quer
über der Herzrune war verheilt, doch es blieb eine Narbe zurück; eine weiße,
gezackte Linie teilte das Sigel, das den Fixpunkt von Haplos Sein darstellte.
Er hatte versucht, darauf zu tätowieren, um die Rune zu vervollständigen, doch
aus irgendeinem Herrn und Hund unbekannten Grund hielt die Farbe nicht auf dem
Narbengewebe, die Magie blieb unwirksam.
»Vielleicht ein Gift von der Drachenschlange«,
vermutete Haplo, als er sich wieder so weit beruhigt hatte, um nüchtern zu
überlegen.
Die erste Reaktion nach der Erkenntnis, daß
seine Wunde nie vollständig heilen würde, übertraf nach Meinung des Hundes den
Sturm draußen. Er hatte es für empfehlenswert gehalten, sich während des
Ausbruchs an einen sicheren Ort unter dem Bett zurückzuziehen.
Der Vierbeiner konnte die ganze Aufregung nicht
begreifen. Haplos magische Kräfte waren so stark wie immer – glaubte
wenigstens der Hund, der es wissen mußte, schließlich war er nicht nur Zeuge
einiger der spektakulärsten Abenteuer Haplos gewesen, sondern ein williger
Helfershelfer.
Das Wissen, daß seine Magie ihm wie früher zu
Gebote stand, hatte Haplo nicht versöhnt. Er war still, in sich gekehrt,
gedankenversunken. Und wenn er vergaß, seinen treuen Hund zu füttern, nun,
besagter treuer Hund konnte es ihm nicht übelnehmen, weil Haplo auch oft
vergaß, selbst etwas zu essen.
Doch inzwischen war es so schlimm, daß der Hund
kaum den Jubel der Nichtigen hörte, die das Erwachen des Allüberalls feierten,
weil das Knurren seines leeren Magens alles andere übertönte. Bei aller Liebe –
das war zuviel!
Sie befanden sich in den Stollen unter der
Farbick. Das Metallding, das aussah wie ein Mensch und sich bewegte wie ein
Mensch, aber roch wie einer von Limbecks Werkzeugkästen, schepperte wichtig
durch die Gegend, tat nichts Vernünftiges, soweit man sehen konnte, und heimste
doch von allen Seiten Lob und Preis ein. Nur Haplo zeigte kein Interesse. Er
lehnte an der Wand und schaute ins Leere.
Der Hund legte den
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