Irsud
unbegreifliche Entfernung zu erinnern, die sie von dem hoch in den Bergen liegenden Tal trennte, wo sie geboren war.
Bei der uralten Lebenseiche angekommen, sprang sie auf den niedrigen, gebogenen Ast, der sich über den Bach krümmte, und lief darauf entlang zu einem anderen Ast, der in weitem Winkel an der höchsten Stelle des Bogens nach oben stieß.
Sich mit einer Hand an diesem Ast festhaltend, ließ sie sich auf die rauhe Rinde hinunter, die Beine baumelten über dem Wasser; sie schüttelte das Haar aus, genoß das Gefühl, das die Morgenbrise verursachte, die über ihre Kopfhaut hinwegstrich. Sie strampelte mit den Füßen und beobachtete voller Vergnügen, wie sich der rosa Chiffon ihres Kleides aufbauschte und anmutig wieder legte.
Unter den Füßen schimmerte das Wasser strahlend im langen, schräg einfallenden Licht der Sonne, während der Wasserzauber in das Mark ihrer Knochen einsank, besänftigte, heilte, stärkte. Sie streckte sich gegen den Nebenast aus, ihr Körper beruhigte sich, bis sie in einen verträumten Dunst hinübertrieb. Zum ersten Mal seit Tagen verschwand das Jucken aus ihrem Rücken, und ihr Kopf war frei von dem künstlich bewirkten Chaos.
Schwach spürte sie eine Regung im Hintergrund ihres Schädels.
„Ach, hallo da”, murmelte sie. In die Ruhe getaucht, die das Geschenk des Wassers war, akzeptierte sie das Vordringen, bereit, die Freude des Begleiters in ihrem Schädel zu erwarten. Nach der schwierigen und gefährlichen Zusammenarbeit auf La-marchos spürte sie nicht mehr das Entsetzen und die Wut über ihre Besessenheit, unter der sie gelitten hatte, als der Begleiter sie zum ersten Mal berührt hatte. Nach einer Weile murmelte sie:
„Wer bist du, der meinen Körper mit mir teilt?”
Die Präsenz rührte sich wieder. Überraschung.
Sie schwang einen Fuß hin und her. „Ich war beschäftigt auf Lamarchos. Keine Zeit, auf Erklärungen zu drängen. Jetzt scheint es, als hätte ich beträchtliche Muße.”
Ein Kichern rieselte durch ihren Geist.
„Also, wer bist du? Was bist du?” Sie wischte das Haar aus den Augen. In ruhige Zufriedenheit versunken, sah sie das Wasser vorbeifließen.
Gefühl der Hemmnis. Die Scheibe blitzte auf und verschwand.
Sie wirbelte den Chiffon wieder auf, summte vor Freude über den rosigen Glanz. „Der Dämpfer. Mmmhh. Den muß ich irgendwie loswerden. Du bist meine Hoffnung, hier herauszukommen. Du hast gehört, was das Ei der Königin bedeutet?”
Zustimmung und Ärger.
„Richtig. Seit du in meinen Schädel hineingestiegen bist, hast du mich in immer mehr Schlamassel gebracht.”
Heftiger Widerspruch.
Sie lachte. „Schon gut. Nicht dein Fehler.” Die Gartendüfte wehten intensiv zu ihr heran … Blütensüße … Dunkelbrauner Geruch feuchter Erde … Kühles, strenges, beeindruckendes Grün
… Sie bewegte die Schultern in vager Beunruhigung gegen den Ast, der ihr Halt gab. „Ich muß dieses Ding loswerden.”
Stilles Einverständnis.
Sie seufzte und ließ die Wassermagie die grellen Emotionen davonspülen. Nach einer trägen, träumerischen Zeit schloß sie die Augen. „Du hast irgendwelche Ideen?”
Eine Vorstellung formte sich in ihrem Geist.
„Burash”, flüsterte sie.
Zustimmung und ein Hauch von Ungeduld.
Aleytys lächelte zu dem Blätterdach hinauf.
Das Bild von Burash veränderte sich leicht. Er hielt ein Messer in seiner rechten Hand. Dann kniete er neben der nackten Gestalt einer Frau, die mit dem Gesicht nach unten auf dem Gras ausgestreckt lag. Er schnitt ihren Rücken auf und stieß die Scheibe mit der Spitze des Messers behutsam aus dem Fleisch. Die Frau setzte sich auf, zuckte zusammen, warf die Scheibe auf einen Stein und stieß einen kleineren Stein wuchtig darauf nieder, ein wildes Vergnügen in dem angespannten Gesicht.
„Würde er es wirklich tun?” flüsterte sie.
Ein geistiges Schulterzucken.
„Also überrede ich ihn.” Sie runzelte die Stirn. „Noch einer. Ihn benutzen? Wie ich Miks benutzt habe? Wann hört es auf?”
Ein geistiges Schulterzucken.
„Nein. Ich will nicht. Ich kann nicht.”
Ungeduld.
„Aber ich werde ihn bitten. Ich nehme an, ich muß. Aber er muß sich freiwillig entscheiden.”
Einwilligung und mehr Ungeduld.
„Es wird verteufelt weh tun. Wenn ich anfange, um mich zu schlagen, wird es für ihn sehr mulmig werden. Wenn das Ding erst einmal aus mir heraus ist, kann ich mich selbst heilen. Kannst du den Schmerz davor unterbinden?”
Zustimmung.
„Was ist mit
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