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Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Titel: Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikka Bender
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Augenblicklich waren sie bereit für eine kleine Exkursion auf ihr Zimmer mit Küchenzeile.
    Als wir ihr Urlaubsreich betraten, redete ich wenig, ließ mehr die Bilder auf mich wirken. Kollege Jörg schwenkte mit dem Kopf nach rechts, nach oben und unten. Unentwegt war die Brille eingeschaltet, also die Kamera. Ich hatte menschenunwürdige und -verachtende Zustände in heruntergekommenen Asylantenheimen kennengelernt, Zimmer von alten und verwahrlosten Menschen, aber noch nie hatte ich Derartiges in einem Drei-Sterne-Touristenhotel mitten in Europa gesehen: Im Bad hatte der Schimmel die Herrschaft übernommen, die Armaturen tropften, die Duschkabine war eine Ruine. Im Zimmer stand ein Bett, dessen Matratze ein Mann von der Kölner Stadtreinigung, Abteilung Sperrmüll, nur gegen Trinkgeld angepackt hätte, und Herd und Kühlschrank mussten eine teure Sonderanfertigung gewesen sein. Die Küchenzeile stach durch einen antiken Rost-Look hervor. Hatte ich bei uns in Möbelgeschäften noch nicht entdecken können, aber die Griechen standen ja schon immer auf antik. Dass der Boden mit Brandflecken übersät und der Balkon nicht begehbar war, weil sich dort alte Farbeimer stapelten, sollte der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Immerhin war dies der Beweis dafür, dass das Hotel in der Antike einmal frisch gestrichen worden war.
    Sonja und Edeltraut beteuerten immer wieder, dass das Chaos nicht von ihnen stamme. Das klang glaubhaft. Genauso wie ihre Versicherung, dass es für Beschwerden keinen Ansprechpartner gäbe, außer einem Bulgaren, der zwar leidlich Deutsch sprechen könne, aber völlig überlastet sei. «Der macht morgens das Frühstück, danach die Zimmer, dann den Pool und den Garten und anschließend das Abendessen», meinte Edeltraut, die bislang geschwiegen hatte. Wenn sie so sprach, richtig lebhaft, gewann die Brünette richtig. Trotz aller Katastrophen verlor ich das Wesentliche im Leben nicht aus dem Blick. Wenn man schon einmal 007 sein konnte …
    «Aber das Hotel hat doch über achtzig Zimmer», hakte ich nach, wieder ganz der Profi. «Wie soll ein Mann allein das schaffen?» Fast hätte ich noch etwas hinzugefügt. Aber das verkniff ich mir lieber. Die Bibel war schon ein Fauxpas gewesen.
    «Deswegen ist der Typ ja nicht mehr ansprechbar.» Sonja war dennoch die Analytischere des Duos. Eindeutig.
    Leider konnten wir für die beiden nichts mehr tun, sie wollten am nächsten Morgen abreisen. Aber weitere deutsche Touristen mussten davor gewarnt werden, ihre Füße über die Schwelle dieser Anlage zu setzen, die keine war. Wir gaben unsere Vorsicht auf. Wir wurden mutig. Die versteckte Kamera setzten wir nur ein, wenn wir nicht entdeckt werden wollten, aber wer sollte uns hier enttarnen? Klar, da war der Bulgare, aber mit dem würden wir es allemal aufnehmen können. Wir waren zu viert.
    Im Auto überspielte Tom das schon gedrehte Material auf einen Laptop, Jörg schulterte die große TV-Kamera, und gemeinsam machten wir uns auf die Suche nach dem Bulgaren. Weitere Gäste trafen wir nicht an, alle waren anscheinend schon geflohen, aber den Bulgaren. Der wirkte sehr überrascht, dass wir mit einer so teuren Kamera dieses schlichte Hotel betreten hatten und nun auch noch ihn filmen wollten. Er wehrte sich aber nicht, er war überfordert von der Situation.
    Als wir ihm auf dem Laptop jedoch die Bilder unserer Brillenkamera zeigten, begann er zu ahnen, woher der Wind wehte und dass es sich vermutlich um Gegenwind handelte. Nun reagiert der Mensch ja wie ein Tier, wenn er in die Enge getrieben wird. Wobei es dabei zwei Verhaltensvarianten gibt: Zähne fletschen und zubeißen oder auf den Rücken legen und mit dem Schwanz wackeln. Der Bulgare entschied sich für Variante zwei.
    «Haben Sie denn niemanden, der Ihnen hilft?» Statt mich empört zu geben, empfand ich richtig Mitleid mit ihm. Er sah aber auch aus, als hätte er es nicht leicht, so ausgemergelt, wie er dastand, mit dunklen Augenringen und schütterem Haar. Und auch sein fleckiges Oberhemd und die billige braune Stoffhose passten ins triste Bild. «Nein, ich muss hier alles alleine machen. Das Frühstück geht schnell, ist ja alles verpackt. Da muss ich morgens nur Gurkenscheiben schneiden und den Kaffee kochen. Die Leitungen sind dann dran, die tropfen oft, weil alt. Aber ich bin Klempner, das geht schon. Danach fische ich die Mäuse aus dem Pool. Ja, und zum Schluss des Tages grille ich für das Abendessen. Das klingt viel, aber ich schaffe

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