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Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Titel: Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikka Bender
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erstaunlich. Es gab zwar eine Rezeption, aber die war offensichtlich nur stundenweise geöffnet. Denn als wir ankamen, war sie mit Gittern und Schlössern gesichert. Das sollte uns aber nicht abhalten, dieses Hotel zu testen – immerhin konnte es ja sein, dass man uns erwartet hatte. Hotelmanager in dieser Kategorie haben nach meiner Erfahrung einen sicheren Instinkt für unliebsame Gäste entwickelt.
    Da wir aber auch einen sicheren Instinkt für misstrauische Hotelmanager hatten, präparierten wir unsere versteckte Kamera. Die, also die Linse, verbarg sich – vollkommen unauffällig – im Nasenbügel einer Sonnenbrille. Ein dünnes Kabel führte aus einem Seitenbügel der Brille in eine kleine Umhängetasche, in der sich die restliche Technik befand. Gesteuert wurde die Kamera durch Kopfbewegungen. Das Brillenmodell sah zwar extrem prollig aus, aber unseren Kameramann Jörg hatte sie richtig geschmückt, sie passte perfekt zu seiner lässigen Baseballkappe, dem Superman-T-Shirt und den auf Halbmast hängenden Shorts. Außerdem freute er sich, dass er bei diesem konspirativen Einsatz auf seine übliche Kamera verzichten konnte, die immerhin zehn Kilo schwer war. Zu unserem Team zählte aber auch noch Tom, der als Düsseldorfer immer sehr viel Wert auf sein korrektes Äußeres legte, für die Organisation unserer Arbeit verantwortlich war und den Teamwagen fuhr. Der Dritte im Bunde war Martin, der kreative und manchmal auch leicht wirre Autor, der dafür sorgen musste, dass einmal ein Film aus unseren Erlebnissen entstand, und eben ich. Der Mann vor der Kamera. Ich war ganz klar der Senior der Truppe, Jörg war sechsundzwanzig, sah aber aus wie sechzehn, Martin und Tom waren Anfang dreißig.
    Die geheime Mission begann. Wir wollten die Außenanlage des Hotels checken und Gäste finden, die bereit waren, uns ihr Zimmer zu zeigen. Am Pool lagen zwei Frauen unter verblichenen Langnese-Sonnenschirmen auf Plastikliegen. Im Pool schwamm Laub, an der Stirnseite ragte ein etwa vierzig Zentimeter langes rostiges Rohr knapp unter der Wasseroberfläche in das Becken hinein. Eine Anlage für Liebhaber und sehr treue Stammgäste, dachte ich, die, da fußkrank, schon seit vielen Jahren den steilen Weg zum Strand nicht mehr schaffen.
    Die beiden Frauen fanden es offensichtlich spannend, mit welcher Hingabe vier Typen ihre Umgebung inspizierten. Wir sorgten einfach für ein wenig Abwechslung. Vermutlich hätten sie gern mal einem gutgebauten Animateur am Beckenrand zugeschaut oder zumindest mal einen Ouzo auf Eis serviert bekommen, stattdessen mussten sie sich ausschließlich gegenseitig bespaßen. Dafür waren sie aber noch zu jung und selbst zu gut gebaut.
    Meine drei Teammitarbeiter schauten mich nun an. Als Mann vor der Kamera musste ich das tun, was von mir verlangt wurde: die Damen ansprechen. «Entschuldigen Sie, wir testen gerade dieses Hotel und würden uns gern mal Ihr Zimmer anschauen.» Selbstverständlich stellte ich uns mit Namen vor, so, wie es sich gehört, wenn vier klasse aussehende Typen – wenn auch einer mit Proll-Brille – aufs Zimmer mitgenommen werden wollen.
    Haben die sie noch alle? Diese Überlegung war unverkennbar in ihren Augen abzulesen. Aber die einmalige Chance von ein wenig Ablenkung vom öden Urlaubstag ließ eine der beiden Frauen antworten: «Ich bin die Sonja aus Passau, und meine Freundin ist die Edeltraut aus Passau. Sie brauchen aber ein dickes Fell, wenn Sie unser Zimmer sehen wollen. Der Dreck und der Gestank waren schon vorher da, der ist nicht von uns, dass Sie es nur wissen!» Sonja war die jüngere Passauerin, auch die attraktivere, aber nicht, weil sie blond war. Ehrenwort.
    «Und warum machen Sie hier Urlaub, wenn das Hotel so grauenvoll ist?», fragte ich nach.
    «Im Reisekatalog sah es wunderschön aus, viel Grün, nicht so groß, kein Massenbetrieb.»
    «Tja, das ist wie mit der Bibel. Da steht auch viel drin, das glauben Sie doch auch nicht alles, oder?»
    Sonja schaute mich vorwurfsvoll an. Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass ich bei meiner wenig konstruktiven Antwort nicht berücksichtigt hatte, dass Passau in Bayern liegt und dass man dort die Bibel in Frieden lässt. Ich Depp, und so was hatte Geographie studiert. Aber ich war ja nicht als landeskundlicher Gelehrter hier, sondern im Auftrag eines privaten Fernsehsenders.
    Das hieß auch: Wir weihten Sonja und Edeltraut in die Geheimnisse unserer Sonnenbrille ein, und da waren sie plötzlich Feuer und Flamme.

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